Neuwied

Nicht nur kein Personal: Marienschule in Neuwied kann Ganztagsangebot nicht erfüllen

Von Redaktion
Im intensiven Austausch über die Umsetzung eines flächendeckenden Ganztagsangebots: Bürgermeister Peter Jung (2. v.r.), Jens Fleck (ADD; l.), Tobias Klag (Bildungsministerium RLP; 2. v.l.) und Schulamtsleiterin Sandra Thannhäuser (r.).  Foto: Felix Banaski
Im intensiven Austausch über die Umsetzung eines flächendeckenden Ganztagsangebots: Bürgermeister Peter Jung (2. v.r.), Jens Fleck (ADD; l.), Tobias Klag (Bildungsministerium RLP; 2. v.l.) und Schulamtsleiterin Sandra Thannhäuser (r.). Foto: Felix Banaski

Nicht bloß an der Marienschule reichen die Kapazitäten nicht aus. Die Warteliste ist lang. Nun hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, um das Ganztagesangebot in Neuwied anders zu denken. Das sind die Ideen.

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Mohadesa und Ammar gehen in die vierte Klasse der Neuwieder Marienschule. Dass sie nach 13 Uhr noch in der Schule sind, gehört für sie zum Alltag, denn wie knapp die Hälfte ihrer 250 Mitschüler nehmen sie das Ganztagsangebot wahr. Außergewöhnlich ist dagegen der Besuch, den die beiden in ihrer Schule empfangen und durch die Räume führen, in denen sie nach Schulschluss bis 16 Uhr Hausaufgaben machen, gemeinsam spielen und AGs besuchen.

Neuwieds Bürgermeister Peter Jung und Schulamtsleiterin Sandra Thannhäuser kennen die beiden vom Sehen, doch auch aus dem Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) hat sich hoher Besuch angekündigt. Die Gruppe um Marion Binder, Referatsleiterin für Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern im BMFSFJ, Tobias Klag (Bildungsministerium RLP) und Jens Fleck von der Schulaufsichtsbehörde (ADD) möchte sich in der Marienschule ein Bild davon machen, wie Ganztagsschule hier praktisch umgesetzt wird, berichtet die Stadt Neuwied in einer Pressemitteilung.

„Wir würden gern ein Ganztagsschulangebot für alle unsere Kinder bereitstellen, aber das ist leider nicht möglich.“

Manuel Mouget, Schulleiter der Marienschule in Neuwied

Kaum Platz, zu wenig Personal und hohe Kosten – die Herausforderungen, mit denen Manuel Mouget und Kerrin Lenz als Leitungsteam der Grundschule bei der Ganztagsbetreuung kämpfen, sind beträchtlich. Die hohe Nachfrage nach Ganztagsplätzen könne die Marienschule bei Weitem nicht erfüllen. 120 Kinder befinden sich in der Ganztagsbetreuung, mehr Kapazitäten gebe es nicht. Dementsprechend lang sei auch die Warteliste. „Wir würden gern ein Ganztagsschulangebot für alle unsere Kinder bereitstellen, aber das ist leider nicht möglich“, erläutert Schulleiter Mouget.

Allein um 120 Kindern eine Ganztagsbetreuung anbieten zu können, musste man in der Marienschule erfinderisch werden, heißt es weiter in der Pressemitteilung: Aufgrund von Platzmangel ist der Ganztagsbereich im Schulkeller untergebracht. Hier findet man einen Lernraum, einen Spielbereich sowie eine kleine Küche. Diese nutzt auch die Back-AG, eines von 15 Nachmittagsangeboten und bei Mohadesa und Ammar besonders beliebt. Zum gemeinsamen Mittagessen geht es trotzdem hinüber in die benachbarte Lebensmittelfachschule. Ein Anbau ist bereits in Planung, aber aufgrund der bauverdichteten Innenstadtlage der Marienschule schwierig. Die infrage kommenden Flächen auf dem Schulgelände sind begrenzt und auch der Schulhof wird immer kleiner. Dabei ist es wichtig gerade für die Kinder aus der Innenstadt, die häufig in beengten Wohnsituationen leben, in der Schule Raum für Spiel und Bewegung sowie Begegnung mit der Natur zu schaffen.

Mehr Plätze sind eine dringende Notwendigkeit

Für gewöhnlich endet der Schultag eines Grundschulkinds zwischen 12 und 13 Uhr und damit deutlich früher als der Arbeitstag der Eltern. Was also tun, wenn es keine Großeltern gibt, die am frühen Nachmittag aufpassen können und auch Teilzeitarbeit nicht infrage kommt? Nach dem Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) haben alle Kinder bis ins Grundschulalter hinein ein Recht auf Ganztagsbetreuung, in der Praxis ist das aber längst nicht überall gewährleistet. Auch in Neuwied gibt es aktuell nicht einmal für die Hälfte der Grundschulkinder ein Ganztagsangebot – das deckt sich mit den Zahlen im gesamten Bundesland.

Um diese Quote zu verbessern, wurde unter Federführung des städtischen Schulamtes eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit der Umsetzung des GaFöG in Neuwied beschäftigt. Für eine flächendeckende Ganztagsbetreuung benötigen jedoch sämtliche Grundschulen zusätzliches Personal, teilweise sind An- und Umbauten unvermeidlich. Das bedeutet auch eine finanzielle Mehrbelastung für den Schulträger.

Ganztagesangebot neu denken

„Im Rahmen unserer Verpflichtung zum Ganztagsausbau sind wir gerade dabei, das Ganztagsangebot in Neuwied neu zu denken“, erklärt Schulamtsleiterin Sandra Thannhäuser das Vorgehen der Arbeitsgruppe. So wird etwa geprüft, ob Gelder aus dem Bereich der Jugendhilfe auch für den Ausbau der Ganztagsbetreuung eingesetzt werden können. Unter dem Strich bleibt die Kommune aber dennoch auf finanzielle Förderung angewiesen, denn der gesetzliche Zeitrahmen ist eng gesteckt: Schon zum Schuljahr 2026/27 soll es für jedes neueingeschulte Grundschulkind einen verbindlichen Anspruch auf einen Ganztagsplatz geben.

Der Bund fördert die Investitionsmaßnahmen zu 70 Prozent, die verbleibenden 30 Prozent müssen durch die Kommunen selbst geleistet werden. Bürgermeister Jung erwartet, dass der bisher bei den Kommunen verbleibende Eigenanteil künftig vom Land übernommen wird. In ihren geäußerten Bedenken, Sorgen und Nöten müssten die Verantwortlichen vor Ort gehört und ernst genommen werden – und das idealerweise vor dem Erlass von Gesetzen. In Neuwied arbeiten Schulaufsicht, Stadt und Schulen schon jetzt laut Pressemitteilung Hand in Hand daran, dass bald alle von Mohadesas und Ammars Mitschülern bis 16 Uhr in der Schule bleiben können. red