Kommentar zur Debatte um die „Titan“-Abenteurer: Was uns Menschenleben wert sind
Es ist ein ganz normaler Reflex, dass wir mehr Anteil am Schicksal jener Menschen nehmen, zu denen wir einen Namen, ein Bild, eine Geschichte haben. Von Hamish Harding, der Teil der „Titan“-Crew ist, wissen wir beispielsweise, dass er bereits im All war, am tiefsten Ort der Erde und am Südpol. Aber wissen wir irgendetwas über nur einen der Menschen, die vor einigen Tagen bei dem Bootsunglück vor der griechischen Küste starben? Es waren Hunderte, die im Meer ertranken. Natürlich haben alle relevanten Medien, auch wir, ausführlich über das Unglück berichtet. Aber es dürfte sich im kollektiven Gedächtnis einreihen in die Summe der vielen Migrationstragödien und namenloser Opfer auf dem Meer.
Was aber keinen kalt lassen sollte, ist die Dimension der globalen Ungleichheit, die uns mit diesen Ereignissen vor Augen geführt wird. Auf der einen Seite bezahlen Millionäre und Milliardäre unglaubliche Summen für einen fragwürdigen Nervenkitzel, auf der anderen Seite machen sich Flüchtlinge und Migranten für 5000 bis 6000 Euro pro Kopf über das Mittelmeer auf den lebensgefährlichen Weg nach Europa.
Sie riskieren ihr Leben nie ohne Grund. Einige fliehen vor militärischen Konflikten, politischer Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen und brauchen internationalen Schutz. Andere hoffen in Europa auf Arbeit und Auskommen – auch wenn das nicht die Flüchtlingsdefinition erfüllt und damit kein Asylgrund ist. Dennoch verdienen alle eine würdevolle Behandlung und unser Mitgefühl.
Das gilt auch für Harding und seine Crew. Der „Titan“-Ausflug war für sie nicht überlebenswichtig, sondern wahrscheinlich nur ein kleines Abenteuer bei finanziell schier unbegrenzten Möglichkeiten. Aber eben auch das gehört zu unserem westlichen Freiheitsverständnis: Es ist erlaubt, Verrücktes zu tun und sein Leben scheinbar grundlos zu riskieren. Gerettet werden sollte jeder Mensch in Not – ob arm oder reich.
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