Gutachten der Denkmalpfleger: Welterbe-Streit spaltet das Rheintal

67 Kilometer rheinaufwärts in Bingen stößt die Koblenzer Haltung zum Welterbestatus auf Unverständnis.
67 Kilometer rheinaufwärts in Bingen stößt die Koblenzer Haltung zum Welterbestatus auf Unverständnis. Foto: DPA

Region Mittelrhein – Im Mittelrheintal entsteht ein neuer Graben. Die Frage, wie wichtig der Welterbe-Titel der Unesco für die Entwicklung der Region ist, spaltet die 48 Gemeinden entlang des Flusses.

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Von unseren Redakteuren Birgit Pielen, Ingo Schneider, Michael Stoll und Wolfgang Wendling

Rund um Koblenz würden viele auf den Welterbe-Titel verzichten und stattdessen lieber ihr neues Wahrzeichen, die Seilbahn, behalten. Doch 67 Kilometer weiter, in Bingen und Rüdesheim, schüttelt man den Kopf.

„Ich verstehe die Koblenzer nicht“, sagt Volker Mosler, Bürgermeister von Rüdesheim. „Von vornherein war klar, dass die Seilbahn wieder abgebaut werden muss. Auf den Welterbe-Status können wir auf keinen Fall verzichten.“ Er steigert den touristischen Bekanntheitsgrad und erschließt eine neue Klientel, ist Mosler überzeugt. „Es gibt Reisebüros, die nur Touren zu Welterbe-Stätten anbieten.“ Das Obere Mittelrheintal reiht sich dann ein in bedeutende Natur- und Kulturgüter wie die ägyptischen Pyramiden von Gizeh, den Grand Canyon in den USA oder das Taj Mahal in Indien.

Sogar Bundeskanzlerin Merkel soll die Koblenzer unterstützen

Ein Naturgut wie das romantische Rheintal verträgt keine Seilbahn, meint der Internationale Denkmalpflegebeirat Icomos, der seine Einschätzung an das Welterbe-Komitee der Unesco weitergibt. Wenn sich das Komitee ab dem 17. Juni in Kambodscha trifft, wird es sich auf das Icomos-Ergebnis stützen. „Es ist relativ selten, dass sich die Unesco abweichend von Icomos positioniert“, sagt der Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig.

Die Seilbahn war eigens für die Bundesgartenschau 2011 gebaut worden. Maßgabe war, dass sie drei Jahre später wieder abgebaut werden würde. Diese Vereinbarung trafen das Welterbezentrum in Paris und die rheinland-pfälzische Landesregierung. Allerdings haben sich aus Sicht der Stadt Koblenz die Vorzeichen geändert: Mittlerweile wurde der Firma Doppelmayr der Seilbahnbetrieb für die Jahre 2014 und 2015 bereits genehmigt. Eine Abbauforderung für 2014 will Oberbürgermeister Hofmann-Göttig daher keinesfalls akzeptieren. Zumal Doppelmayr auch bereits die Verträge mit seinem Personal in Koblenz verlängert hat.

Für den Erhalt der Seilbahn werden jetzt prominente Unterstützer gesucht. So hat sich der Koblenzer Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs bei der Bundeskanzlerin dafür starkgemacht. Er hat sich nun in einem Schreiben an den Deutschen Botschafter bei der Unesco, Michael Worbs, gewandt – mit ausdrücklicher Unterstützung von Angela Merkel. „Ich kann mir Koblenz ohne Seilbahn nicht mehr vorstellen“, schwärmt Fred Pretz, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Vallendar. „Die Seilbahn bringt die Menschen näher an die Festung Ehrenbreitstein und das Deutsche Eck heran, als sie es jemals waren.“ Sein Amtskollege Georg Hollmann aus Weißenthurm sieht das genau so: „Die Region kann auf den Welterbe-Status verzichten.“

Wenig Verständnis dafür hat man am anderen Ende des Welterbe-Tals. „Die Seilbahn ist weit entfernt von uns“, sagt Franz-Josef Riediger, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rhein-Nahe in Bingen. „Im Sinne der Region können wir nicht auf das Welterbe verzichten. Wir wachsen rechts und links des Rheins immer mehr zusammen.“ Ein Sprecher der Fremdenverkehrsgesellschaft Rüdesheim bestätigt, dass der Unesco-Titel einen „extrem hohen Stellenwert“ für den Tourismus hat. „Viele Teile unserer Vermarktung sind darauf angelegt. Das wäre der Super-GAU für uns, wegen der Seilbahn in Koblenz auf den Welterbe-Titel verzichten zu müssen.“

Bürgermeister machen sich auch für die Sommerrodelbahn stark

Im Welterbe-Tals hofft man auf einen Kompromiss: „Man kann das eine tun, ohne das andere zu gefährden“, formuliert es Werner Groß, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Loreley. Er hofft auf eine gemeinsame Willensbildung – und dass Seilbahn und die ebenfalls umstrittene Sommerrodelbahn auf dem Loreleyplateau erhalten bleiben. Joachim Müller, Stadtbürgermeister von Braubach, freut sich, dass „die Städte und Gemeinden entlang des Rheins endlich über den Tellerrand hinausgucken. Ich gehe davon aus, dass sie weiterhin an einem Strang ziehen.“ Allerdings hält er sowohl Seilbahn als auch Sommerrodelbahn für unerlässlich. „Sollte es hart auf hart kommen, müssten wir eben auf den Welterbe-Status verzichten.“

Mit der Frage „Was wäre wenn?“ beschäftigt sich Landrat Bertram Fleck erst gar nicht. Der Vorsitzende des Zweckverbands Welterbe Oberes Mittelrheintal setzt voll und ganz auf den Dialog mit dem Unesco-Welterbe-Komitee und auf Überzeugungsarbeit. Nach Flecks Ansicht ist das Mittelrheintal weit davon entfernt, von der Unesco die Rote Karte zu erhalten, wie das in Dresden der Fall war. Fleck reist mit Walter Schumacher, dem Landesbeauftragten für das Unesco-Welterbe Rheinland-Pfalz, zu den Verhandlungen nach Kambodscha.