Demonstration: Pegida hält trotzig die Fahne hoch
Gregor Mayntz berichtet von der Pegida-Demo in Dresden. Unser Berliner Korrespondent fragt, was die Menschen auf die Straße treibt.
Dazwischen lag Weihnachten. Und natürlich die Neujahrsansprache der Kanzlerin mit einer glasklaren Positionierung gegen den „Hass“, der in Pegida zu finden sei. Dagegen einzutreten, scheint für die Sympathisanten der ausländerkritischen Masse nun wichtiger zu sein als ein warmes Plätzchen zu Hause in einer kalten Januarnacht. Denn aus dem kleinen Grüppchen werden kurz vor dem vereinbarten Zeitpunkt viele Hundert, dann viele Tausend. Und es strömen immer mehr in den großen Lichtkreis, den die Polizei als besonderen Service seit Stunden mit zwölf von Generatoren getriebenen Scheinwerfern bildet.
Wer sind diese Menschen, gegen die nun überall in Deutschland mobil gemacht wird, die auf Gegendemos mit Transparenten wie „Ihr seid eine Schande für unser Land“ charakterisiert werden? Da ist der untersetzte Herr, der aus dem Kofferraum seines silberfarbenen Mercedes das mit großer Sorgfalt erstellte Plakat „Wir sind mündige Bürger und keine Sklaven“ herausholt. Da ist die junge Familie, die ihre kleinen Kinder mit auf die Wiese nimmt und ihnen kleine Deutschlandfähnchen in die Hände drückt. Da ist der hagere ältere Herr, der glaubt, bei Pegida nicht fehlen zu dürfen, da er ja der „Messias“ sei und Gott nur mit ihm zusammenarbeite.
Da ist aber auch die Migrantin, die sich sorgt, wieder bei den Falschen zu landen. Aus Versehen habe sie sich gerade zu den Gegendemonstranten gestellt, sie wolle aber unbedingt zu Pro-Pegida. Und die erhält einen Zulauf aus der gesamten Bundesrepublik: Flaggen von Thüringen, Hamburg, Berlin und Rheinland-Pfalz sind dabei. Ihre Träger wollen öffentlich bekunden, dass sie gegen die Merkel-Warnung aufbegehren. Direkt neben der Wiese sind zwei Wagen für Liveübertragungen geparkt, ein halbes Dutzend Kamerateams bahnt sich einen Weg durch die Menge, die sich mit kleinen Bemerkungen die Zeit vertreibt.
Wie ein Magnet wirkt Pegida auf seine Anhänger. Da wird für „Frieden mit Russland“ geworben, für ein „Ende der Besatzung durch die USA“, für mehr Väterrechte, es gibt Plakate gegen die Nato und gegen einen „Krieg in Europa“. Vor allem aber fühlen sich die Pegida-Organisatoren inzwischen um ihre Grundrechte gebracht. „Ja, es gibt wieder politische Verfolgung in diesem Land“, ruft Kathrin Oertel von der improvisierten Bühne und verweist darauf, dass die Menschen hier als „Rassisten“ beschimpft würden. Allem voran stellt sie die Reaktion auf Merkels Neujahrsansprache. In einem habe die Kanzlerin sogar recht: „Mein Unverständnis über den Umgang mit uns schlägt langsam in Wut um!“
Pfui-Rufe gellen über den Platz. „Volksverräter“, rufen die Menschen. Und immer, wenn die Medienberichterstattung beklagt wird, gibt es nur eine Reaktion: „Lügenpresse“. Es kümmert keinen, dass beide Schlachtrufe von den Nationalsozialisten stammen.
Der Publizist und frühere „FAZ“-Journalist Udo Ulfkotte gibt sich als Einpeitscher. Die Islamisierung sei in einem Deutschland bereits Realität, in dem in Kindergärten kein Schweinefleisch mehr gegessen werde und in dem Migranten vor Gericht bevorzugt behandelt würden. „Unsere Wut wird immer größer“, ruft er in die Menge, und die antwortet immer mit „Wir sind das Volk!“.
Es ist die Losung vom Herbst 1989, als die Demonstranten ihr Leben riskierten. Bei den Montagsdemonstrationen 2015 riskieren die Teilnehmer höchstens einen Schnupfen. Und doch sehen sie eine direkte Linie vom Arbeiteraufstand, über die friedliche Revolution bis zu Protest gegen „Islamisierung“. Rassist will hier niemand sein, das ist in vielen Gesprächen gegenüber Journalisten immer wieder zu hören. Nein, die Flüchtlinge seien hochwillkommen – wenn sie wirklich verfolgt seien und wenn sie wieder in ihre Heimat zurückgingen, um ihr eigenes Land wiederaufzubauen.
Krawallmacher gestoppt
Eine Gruppe legt es dann aber auch auf Krawall an, will in Richtung Gegendemonstranten ziehen. Die Pegida-Ordner und vor allem ein massives Polizeiaufgebot können sie davon abhalten. Dennoch herrscht großer Unmut darüber, dass die Polizei die auf 18 000 Teilnehmer angewachsene Demonstration doch nicht in die Innenstadt lässt. Ein letztes Mal Klagen darüber, dass „jede europäische Stadt inzwischen eine Salafistenszene“ habe. Die finale Feststellung: „Liebe Freunde, wir sind nicht islamophob, wir nennen es Aufklärung.“