Dhaka

Zusammenstöße

Teilerfolg für Studenten nach Protesten in Bangladesch

Von dpa
Studentenproteste in Bangladesch
Streitkräfte stehen am Samstag, 20. Juli 2024 Wache auf einer Straße in Dhaka. Die bangladeschischen Behörden verlängerten am Sonntag die Ausgangssperre im ganzen Land, da erwartet wurde, dass das oberste Gericht des Landes über eine Einstellungsquote für den öffentlichen Dienst entscheiden würde, die zu tagelangen tödlichen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten geführt hat, bei denen zahlreiche Menschen ums Leben kamen. (zu dpa: «Teilerfolg für Studenten nach Protesten in Bangladesch») Foto: Rajib Dhar/DPA

Tagelang protestieren Studenten gegen eine Quote für gut bezahlte Jobs im Öffentlichen Dienst, die vor allem Anhänger der regierenden Awami-Liga begünstigt. Das Oberste Gericht versucht zu schlichten.

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige

Dhaka (dpa). Nach den heftigen Studentenprotesten in Bangladesch mit Gewalt auf den Straßen und zahlreichen Toten hat das Oberste Gericht einen Kompromiss in dem Konflikt verfügt. Die obersten Richter des südasiatischen Landes entschieden, die von der Regierung geplante Wiedereinführung einer bis 2018 geltenden und kontroversen Quotenregelung im Öffentlichen Dienst deutlich abzuschwächen, wie der Sender BBC Bangla berichtete. Unklar blieb zunächst, ob die Studenten sich damit zufriedengeben. Bei den Protesten waren seit Dienstag lokalen Medien zufolge mehr als 110 Menschen ums Leben gekommen. Das Auswärtige Amt in Berlin rät von Reisen in das südostasiatische Land derzeit ab.

Leistung soll künftig bei Stellenvergabe vorherrschen

Jungen Akademikern droht in dem armen Land mit seinen 170 Millionen Einwohnern oftmals die Arbeitslosigkeit. Im Streit um die alte Regelung kam das Gericht den protestierenden Studenten nun entgegen: Mit 93 Prozent soll nun künftig der größte Teil der Einstellungen im Öffentlichen Dienst auf Grundlage von Leistung erfolgen.

Studentenproteste in Bangladesch
Ein verletzter Student wird auf einer Trage in ein Krankenhaus in Dhaka, Bangladesch, gebracht, während Studenten mit der Polizei wegen des Quotensystems im öffentlichen Dienst aneinandergeraten. (zu dpa: «Teilerfolg für Studenten nach Protesten in Bangladesch»)
Foto: Rajib Dhar/DPA

Nur noch ein kleiner Teil (7 Prozent) der meist gut bezahlten Stellen sollen der Entscheidung nach vorwiegend an Nachfahren von Soldaten des Unabhängigkeitskriegs von 1971 gehen – statt der früher 30 Prozent. Den Krieg hatte die regierende Awami-Liga von Premierministerin Sheikh Hasina seinerzeit maßgeblich angeführt hat, Bangladesch hatte bis dahin zu Pakistan gehört.

Führende Aktivisten wollen weiter protestieren

Studentenproteste in Bangladesch
Studenten stehen bei einem Protest gegen das Quotensystem im öffentlichen Dienst in Dhaka am Freitag, 19. Juli 2024 Polizisten gegenüber. Nach Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei bei Studentenprotesten in Bangladesch hat die Regierung eine landesweite Ausgangssperre verhängt. (zu dpa: «Teilerfolg für Studenten nach Protesten in Bangladesch»)
Foto: Rajib Dhar/DPA

Führende Vertreter der Studentenproteste begrüßten das Urteil, wollten aber weiter protestieren. Eine einheitliche Linie, mit welchen Zielen es nun weitergehen solle, gab es BBC Bangla zufolge noch nicht. Einige forderten unter anderem die Freilassung aller festgenommenen Studenten und sogar den Rücktritt der Regierung. Die Regierung ihrerseits begrüßte das Urteil des Obersten Gerichtshofs. Justizminister Anisul Haque sprach von einem «sehr umsichtigen Urteil», das möglichst bald umgesetzt werde, wie BBC Bangla berichtete.

Auswärtiges Amt befürchtet Verschlechterung der Lage

Studentenproteste in Bangladesch
Studenten stehen bei einem Protest gegen das Quotensystem im öffentlichen Dienst in Dhaka am Freitag, 19. Juli 2024 Polizisten gegenüber. Nach Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei bei Studentenprotesten in Bangladesch hat die Regierung eine landesweite Ausgangssperre verhängt. (zu dpa: «Teilerfolg für Studenten nach Protesten in Bangladesch»)
Foto: Rajib Dhar/DPA

In den aktualisierten Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes in Berlin heißt es, mit weiteren Einschränkungen und Verschlechterungen der Lage in Bangladesch müsse gerechnet werden. Das Amt rät, die geltende Ausgangssperre zu befolgen und an einem sicheren Ort zu bleiben. Wer in Bangladesch sei, solle sich in der Krisenvorsorgeliste des Amtes registrieren lassen beziehungsweise prüfen, ob die dort hinterlegten Daten noch aktuell sind.

Ausgangssperre

Studentenproteste in Bangladesch
Studenten stehen bei einem Protest gegen das Quotensystem im öffentlichen Dienst in Dhaka am Freitag, 19. Juli 2024 Polizisten gegenüber. Nach Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei bei Studentenprotesten in Bangladesch hat die Regierung eine landesweite Ausgangssperre verhängt. (zu dpa: «Teilerfolg für Studenten nach Protesten in Bangladesch»)
Foto: Rajib Dhar/DPA

Die Proteste an Hochschulen im ganzen Land hatten Anfang Juli begonnen, nachdem ein Gericht die Wiedereinführung des alten Quotensystems angeordnet hatte, das im Jahr 2018 nach massiven Studentenprotesten abgeschafft worden war.

Studentenproteste in Bangladesch
Polizisten feuern Tränengasgranaten ab, um Studenten zu vertreiben, die gegen das Quotensystem im öffentlichen Dienst protestieren, in Dhaka, Bangladesch, Freitag, 19. Juli 2024. (AP Photo/Rajib Dhar) (zu dpa: «Teilerfolg für Studenten nach Protesten in Bangladesch»)
Foto: Rajib Dhar/DPA

Seit Freitag um Mitternacht herrscht im Land eine Ausgangssperre, und die Armee ist im ganzen Land stationiert. Trotzdem kam es laut BBC Bangla auch am Samstag zu vereinzelten gewaltsamen Zwischenfällen. Am Sonntagnachmittag wurde die Ausgangssperre für zwei Stunden gelockert, damit die Menschen wichtige Besorgungen tätigen könnten, hieß es. Für Montag wurde ein Feiertag ausgerufen.

Studentenproteste in Bangladesch
Streitkräfte aus Bangladesch patrouillieren in den Straßen von Dhaka am Samstag, 20. Juli 2024. Die Behörden haben am Sonntag die Ausgangssperre im ganzen Land verlängert, da erwartet wurde, dass das oberste Gericht des Landes über eine Einstellungsquote für den öffentlichen Dienst entscheidet, die zu tagelangen tödlichen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten geführt hat, bei denen zahlreiche Menschen getötet wurden. (zu dpa: «Teilerfolg für Studenten nach Protesten in Bangladesch»)
Foto: Rajib Dhar/DPA

Die Tageszeitungen «Prothom Alo» und «The Daily Star» sowie andere örtliche Medien waren am Wochenende online nicht abrufbar. Die Regierung hatte Internet-, Telefon- und SMS-Verbindungen weitgehend gekappt. Offiziell bestätigt wurden die Opferzahlen nicht.

Immer wieder Proteste gegen Regierung Hasina

Studentenproteste in Bangladesch
Bangladeschische Militärkräfte patrouillieren auf gepanzerten Fahrzeugen in den Straßen von Dhaka, Bangladesch, am Samstag, 20. Juli 2024. Die bangladeschischen Behörden verlängerten am Sonntag die Ausgangssperre im ganzen Land, da erwartet wurde, dass das oberste Gericht des Landes über eine Einstellungsquote für den öffentlichen Dienst entscheiden würde, die zu tagelangen tödlichen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten geführt hat, bei denen zahlreiche Menschen getötet wurden (zu dpa: «Teilerfolg für Studenten nach Protesten in Bangladesch»)
Foto: Rajib Dhar/DPA

Jenseits des Konflikts um die Quoten kam es schon in der Vergangenheit immer wieder zu Protesten gegen die Regierung von Hasina, die seit 2009 regiert. Unter ihr erlebte das arme, mehrheitlich muslimische Bangladesch einen wirtschaftlichen Aufschwung. Zuletzt machte aber die hohe Inflation vielen Menschen zu schaffen.

Studentenproteste in Bangladesch
Studenten schlagen einen Polizisten mit Stöcken während eines Protestes gegen das Quotensystem im öffentlichen Dienst am Donnerstag, 18. Juli 2024 in Dhaka, Bangladesch. (zu dpa: «Teilerfolg für Studenten nach Protesten in Bangladesch»)
Foto: Anik Rahman/DPA

Gleichzeitig werfen ihr die größte Oppositionspartei Bangladesh Nationalist Party (BNP) der früheren Premierministerin Khaleda Zia und Menschenrechtsorganisationen vor, gezielt gegen ihre Gegner und Kritiker vorzugehen sowie Tausende von ihnen festnehmen zu lassen. Auch Wahlmanipulation wird ihr vorgeworfen.

Studentenproteste in Bangladesch
Die Polizei feuert Tränengasgranaten ab, um Studenten zu vertreiben, die gegen das Quotensystem im öffentlichen Dienst protestieren. Nach Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei bei Studentenprotesten in Bangladesch hat die Regierung eine landesweite Ausgangssperre verhängt. (zu dpa: «Teilerfolg für Studenten nach Protesten in Bangladesch»)
Foto: Rajib Dhar/DPA

© dpa-infocom, dpa:240721-930-179974/3