Paris

Politische Zwickmühle

Frankreich: Regierungssuche und kein Ende in Sicht

Von dpa
Emmanuel Macron
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zwinkert vor einem Treffen mit dem irischen Premierminister («Taoiseach») Harris im Elysee-Präsidentenpalast. Frankreich steckt in einer Sackgasse. Knapp acht Wochen und etliche Sondierungsgespräche sind nach der Parlamentswahl vergangen, doch eine neue Regierung ist noch immer nicht in Sicht. (zu dpa: «Frankreich: Regierungssuche und kein Ende in Sicht») Foto: Thomas Padilla/DPA

Die Suche nach einer Regierungskoalition scheint in Frankreich fast aussichtslos. Präsident Macron muss sich schwere Vorwürfe gefallen lassen. Klammert er sich fest an der Macht?

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Paris (dpa). Frankreich steckt in einer Sackgasse. Rund acht Wochen und etliche Sondierungsgespräche sind nach der Parlamentswahl vergangen, doch eine neue Regierung ist nicht in Sicht. Die Parteien haben sich zwar teils offen für Zusammenarbeit gezeigt, aber so richtig wagt niemand den Sprung über den eigenen Schatten. Präsident Emmanuel Macron gerät immer weiter unter Druck.

Koalitionen nicht Teil der französischen Kultur

Dass sich die Regierungssuche so schwierig gestaltet, liegt auch daran, dass die Situation in Frankreich ungewohnt ist. Fast immer gab es in den vergangenen Jahrzehnten eine klare Regierungsmehrheit für eines der politischen Lager – aufgrund der einstigen Stärke der Volksparteien und des Mehrheitswahlrechts.

Regierungsbildung in Frankreich
Führende Vertreter der Linken: Manuel Bompard (l-r), Marine Tondelier von der Grünen Partei, Lucie Castets, der Generalsekretär der Sozialistischen Partei Olivier Faure (2.v.r) und der nationale Sekretär der Kommunistischen Partei Fabien Roussel kommen im Elysee-Palast an. Frankreich steckt in einer Sackgasse. Knapp acht Wochen und etliche Sondierungsgespräche sind nach der Parlamentswahl vergangen, doch eine neue Regierung ist noch immer nicht in Sicht. (zu dpa: «Frankreich: Regierungssuche und kein Ende in Sicht»)
Foto: Thibault Camus/DPA

Entsprechend sind Koalitionen nicht Teil der politischen Kultur. Und die Parteien, die im Parlament oft einen Konfrontationskurs fahren, tun sich äußerst schwer mit dem Gedanken, trotz unterschiedlicher Positionen an einem Strang zu ziehen. Das aber wird nötig sein, denn keines der Lager erhielt bei der Wahl eine absolute Mehrheit.

«Illiberales Abdriften»

Beratungen über Regierungsbildung in Frankreich
Die französische Abgeordnete und Vorsitzende der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN) Marine Le Pen gestikuliert am Elysee-Palast nach einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Macron, der Gespräche mit wichtigen politischen Akteuren führt, um eine neue Regierung zu bilden. Frankreich steckt in einer Sackgasse. Knapp acht Wochen und etliche Sondierungsgespräche sind nach der Parlamentswahl vergangen, doch eine neue Regierung ist noch immer nicht in Sicht. (zu dpa: «Frankreich: Regierungssuche und kein Ende in Sicht»)
Foto: Thomas Padilla/DPA

Kern des Anstoßes bei der Regierungssuche ist vor allem die mitunter populistische Linkspartei La France Insoumise (LFI). LFI ist Teil des Linksbündnisses Nouveau Front Populaire, das bei der Wahl vorne landete und seitdem auf seinem Regierungsanspruch beharrt. Alle anderen Lager drohen jedoch, eine solche Regierung per Misstrauensvotum zu stürzen – wegen LFI.

Abgeordnete von LFI
Eine Gruppe gewählter Abgeordneter der linkspopulistischen Partei La France Insoumise ballt die Faust in der Nationalversammlung. Frankreich steckt in einer Sackgasse. Knapp acht Wochen und etliche Sondierungsgespräche sind nach der Parlamentswahl vergangen, doch eine neue Regierung ist noch immer nicht in Sicht. (zu dpa: «Frankreich: Regierungssuche und kein Ende in Sicht»)
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Genau aus diesem Grund hat Macron dem Vorhaben der Linken eine klare Absage erteilt. «Eine Schande», «ein illiberales Abdriften» und «eine Verweigerung der Demokratie» warf das Bündnis ihm danach vor. Es fühlt sich um seinen Wahlsieg betrogen und fürchtet, Macron wolle einfach seine Politik fortführen – Wahlausgang hin oder her.

Schiedsrichter oder Entscheider?

Emmanuel Macron
Der französische Präsident Emmanuel Macron hält eine Rede in Paris. Frankreich steckt in einer Sackgasse. Knapp acht Wochen und etliche Sondierungsgespräche sind nach der Parlamentswahl vergangen, doch eine neue Regierung ist noch immer nicht in Sicht. (zu dpa: «Frankreich: Regierungssuche und kein Ende in Sicht»)
Foto: Michel Euler/DPA

Macron hingegen sieht sich als Staatschef als Garant der Stabilität der Institutionen. Eine Regierungschefin zu ernennen, die ohnehin gestürzt wird, kommt für ihn nicht infrage. Seine Sondierungsgespräche dürfte er wirklich als Versuch sehen, eine Lösung für die verzwickte Situation zu finden, in der kein Lager wie gewohnt alleine weitermachen kann. Immer wieder betont der Élysée, Macron sei hier nur Schiedsrichter.

Doch die Linke nimmt den Präsidenten, der bis zuletzt mit der Regierung seine ganz eigene Politik durchgesetzt hat, viel mehr als Entscheider wahr – als jemanden, der selbst eine Koalition bauen möchte, anstatt diese Aufgabe an einen Premier abzugeben. LFI droht gar damit, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Macron einzuleiten.

Expertenregierung mögliche Lösung

Wie also kann es in Frankreich weitergehen? Die Konservativen sind weiterhin nicht bereit, Teil einer Regierung zu sein. Macrons Mitte-Lager fehlen bis zur absoluten Mehrheit gut 120 Sitze, dem Linksbündnis knapp 100. Marine Le Pens Rechtsnationale kommen für die anderen Lager als Partner ohnehin nicht infrage.

Noch pochen Kommunisten, Sozialisten, Grüne und LFI darauf, im Verbund zu regieren. Doch bei den Sozialisten stieg der interne Druck zuletzt, alleine zu Macron an den Verhandlungstisch zurückzukehren und sich von LFI abzuwenden. Macron könnte hoffen, auch die Grünen für eine Koalition mit der Mitte zu gewinnen – oder aber zusätzlich auf eine Duldung durch die Konservativen setzen.

Sollte all dies scheitern, blieben Macron zwei Möglichkeiten: eine Expertenregierung oder es am Ende doch dem Premier zu überlassen, seine Mehrheiten zu finden. Damit dies gelänge, bräuchte er allerdings eine möglichst beliebte und unverfängliche Persönlichkeit, die fast genauso schwer zu finden sein dürfte wie eine Koalition.

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