Berlin/Niamey

Rückzug aus Sahelzone

Bundeswehr wird Westafrika verlassen

Von dpa
Luftwaffenstützpunkt Fliegerhorst Wunstorf
Ein militärisches Lufttransportflugzeug des Typ A400M stehet auf dem Rollfeld des Lufttransportgeschwader 62 im niedersächsischen Wunstorf. (zu dpa: «Bundeswehr wird Westafrika verlassen») Foto: Ole Spata/DPA

Die Bundeswehr wollte ihre letzte Basis in Westafrika aufrechterhalten und ist den Putschisten weit entgegengekommen, doch man ist sich nicht einig geworden. Nun wird der Plan aufgegeben.

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Berlin/Niamey (dpa) – Nach gescheiterten Verhandlungen mit der Militärregierung im Niger wird die Bundeswehr ihre letzte Basis in Westafrika aufgeben. Der Lufttransportstützpunkt in Nigers Hauptstadt Niamey solle bis zum 31. August geschlossen und die Soldaten nach Deutschland zurückverlegt werden, teilte das Verteidigungsministerium den Obleuten des Bundestages mit. Die Basis wurde zuvor von rund 100 Männern und Frauen der Bundeswehr betrieben. Im Lichte der Lageentwicklung der letzten Wochen habe die Bundesregierung die ins Auge gefasste Zusammenarbeit mit dem Niger «neu bewertet». Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur vor.

Der Stützpunkt war logistisches Drehkreuz des UN-Einsatzes Minusma zur Stabilisierung des benachbarten Mali, der Ende vergangenen Jahres auf Forderung der dortigen Militärregierung beendet worden war. Nach einem vorübergehenden Abkommen im Mai scheiterte die langfristige Vereinbarung an unterschiedlichen Vorstellungen über die weitere Zusammenarbeit.

Ministerium sah keine Chance auf eine Einigung

Nach Militärputsch im Niger
Ein Anhänger von Nigers regierender Junta hält in der Woche nach dem Militärputsch ein Plakat in den Farben der russischen Flagge mit der Aufschrift „Lang lebe Russland, lang lebe der Niger und die Nigrer“ zu Beginn einer Demonstration für die Freiheit des Landes und gegen ausländische Einmischung. (zu dpa: «Bundeswehr wird Westafrika verlassen»)
Foto: Sam Mednick/DPA

«Der von Niger übermittelte Abkommensentwurf kann uns nicht als Grundlage für Verhandlungen über ein Statusabkommen dienen – weder vom Charakter, noch vom Inhalt her», schrieb das Ministerium. «Immunitäten für deutsche Soldatinnen und Soldaten werden darin nicht gewährt. Gleichzeitig fehlt uns die Zeit zur Aushandlung eines neuen Statusabkommens – dazu liegen die Positionen zu weit auseinander.» Einem Bericht des «Spiegel» zufolge hatte Niamey unter anderem die Ausbildung nigrischer Soldaten durch die Bundeswehr und Waffenlieferungen gefordert.

Pistorius im Niger
Boris Pistorius (M), Verteidigungsminister von Deutschland, kommt am Flughafen in Niamey an. Viereinhalb Monate nach dem Militärputsch im westafrikanischen Niger ist Verteidigungsminister Boris Pistorius zu Gesprächen in dem Land eingetroffen. (zu dpa: «Bundeswehr wird Westafrika verlassen»)
Foto: Carsten Hoffmann/DPA

Nach Staatsstreichen in Mali und Burkina Faso galt der Niger als letzter Partner Europas und der USA in der Sahelzone im Kampf gegen Terrorismus, bis im vergangenen Juli auch dort das Militär die Macht ergriff. Der gewählte Präsident Mohamed Bazoum steht bis heute unter Hausarrest und soll wegen Verrats angeklagt werden. In der Region breiten sich seit rund einem Jahrzehnt islamistische Terrormilizen aus, die Al-Kaida und dem IS nahestehen. 2023 wurden laut Konfliktdatenorganisation Acled mindestens rund 14.000 Menschen in den drei Ländern getötet, mindestens ein Drittel von ihnen Zivilisten.

Die Bundesregierung hatte immer wieder betont, trotz aller Schwierigkeiten mit den Regierungen in der Region im Austausch bleiben zu wollen – auch mit den Militärjuntas, die angekündigte Wahlen immer weiter verschoben haben. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius war im Dezember als erster deutscher Minister und ranghöchster Vertreter eines EU-Landes zum Gespräch mit den Militärmachthabern in den Niger geflogen und hatte die Weiterführung von Projekten angeboten. Auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hatte im benachbarten Burkina Faso versucht, der dortigen Militärjunta die Hand zu reichen.

«Europa spielt im Sahel kaum noch eine Rolle»

Der Bundeswehrstützpunkt in Niamey sollte auch weiterhin als Umschlagplatz für Material und Personal weiterhin Handlungsoptionen in der strategisch wichtigen Region eröffnen – etwa im Fall von Evakuierungseinsätzen und bei Notlagen – und zudem militärische Präsenz Deutschlands zeigen. Der Niger wendet sich jedoch wie seine Nachbarn Russland zu und beherbergt seit einigen Monaten auch russisches Militärpersonal – nach offiziellen Angaben Ausbilder – auf einer Basis in Niamey. Fast alle anderen früheren Partner sind dagegen ausgewiesen worden.

An diesem Wochenende verlassen auch die USA ihre Basis in Niamey, bevor sie in den kommenden Wochen auch ihre für die Beobachtung der gesamten Region strategisch wichtige Drohnenbasis in der Wüstenstadt Agadez räumen müssen. Bis zum 15. September sollen alle US-Truppen das Land verlassen haben. Niamey kündigte die Zusammenarbeit auf, weil sie Washington Arroganz ihnen gegenüber vorgeworfen hatten. Französische Anti-Terror-Truppen mussten wie aus Mali und Burkina Faso bereits vergangenes Jahr im schweren Streit zwischen Paris und den Militärs abziehen.

«Es ist schade, dass sich Deutschland nicht mit Niger einigen konnte», sagte Ulf Laessing, Sahelexperte der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bamako, der dpa. «Der Stützpunkt war die letzte Hoffnung, dass Deutschland noch ein bisschen Einfluss hat in einem Land, durch das die Hauptmigrationsroute von Sub-Sahara Afrika nach Libyen führt. Das heutige Gipfeltreffen der mit Russland verbündeten Länder Mali, Niger und Burkina Faso zeigt, dass Europa im Sahel kaum noch eine Rolle spielt.» Die drei Junta-Chefs trafen sich am Samstag in Niamey zum ersten offiziellen Gipfel der Allianz der Sahel-Staaten (AES), einem von ihnen im vergangenen Herbst gegründeten Verteidigungsbündnis.

Das Verteidigungsministerium betonte, dass die militärische Kooperation mit dem Niger zwar nicht mehr verfolgt werden sollte, die politischen und entwicklungspolitischen Beziehungen aber unberührt blieben. Auch bilaterale Programme in «nicht-letalen Bereichen» sollten fortgesetzt und etwa verwundete nigrische Soldaten in Bundeswehrkrankenhäusern behandelt werden.

© dpa-infocom, dpa:240706-930-165851/2