Rom

Zwei Päpste, ein Wunsch: Franziskus soll Johannes' Werk weiterführen

Damals wie heute: Viele Katholiken hoffen zum Beginn des Konklave auf frischen Wind in ihrer Kirche – und dann wird ein alter Mann zum neuen Papst gewählt. Johannes XXIII. tritt das höchste Amt der katholischen Kirche mit 77 Jahren an, Papst Franziskus mit 76 Jahren. Damals wie heute fühlen sich die Menschen dennoch spontan zu ihrem neuen Heiligen Vater hingezogen, finden ihn sympathisch.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Damals wie heute legt der frisch gewählte Papst großen Wert auf kleine Gesten: Johannes XXIII. sucht die Nähe zu den Menschen, verlässt spontan den Vatikan, spricht nicht nur lehramtlich, sondern lässt auch Persönliches in seine Ansprachen einfließen. Man kann Johannes XXIII. und Franziskus tatsächlich miteinander vergleichen, sagt Joachim Schmiedl, Schönstatt-Pater und Professor für Mittlere und Neue Kirchengeschichte an der Theologischen Hochschule der Pallottiner in Vallendar.

„Damals war die Sehnsucht nach Reformen sehr groß, aber kaum einer hat wirklich damit gerechnet, dass Johannes XXIII. ein Reformer wäre.“ Er galt wegen seines Alters als Übergangspapst. Und dann der Paukenschlag: Ein Zweites Vatikanisches Konzil soll die Kirche modernisieren. Johannes XXIII. nimmt Sätze in den Mund wie „Die Kirche ist kein Museum, sondern ein lebendiger Garten“ oder „Wir müssen die Zeichen der Zeit beachten“.

Heute ermahnt Franziskus seinen Klerus, Seelsorger und nicht Kontrolleure des Glaubens zu sein. Parallelen zeigen sich auch in der Ungewissheit, wie die Reformen konkret aussehen sollen. Zu Beginn des Konzils bangten viele Katholiken um die Fortführung der Tradition. Heute geht es nicht nur um die Frage nach Zölibat, Frauenpriestertum oder den Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten: „Die Kerndiskussion, die wir gerade führen, ist, ob die Kirche in Zukunft kollegial oder autokratisch geleitet wird“, sagt Schmiedl.

Diese Frage ging auch schon Johannes XXIII. an. „Er wollte, dass es einen Bischofsrat gibt, der mit dem Papst konferiert, Themen diskutiert und Beschlüsse fasst.“ Doch Paul VI., der das Konzil nach dem plötzlichen Tod von Johannes XXIII. zu Ende führte, verweichlichte die Idee: „Er machte aus dem Wunsch eine Bischofssynode, die vom Papst einberufen wird und lediglich ein beratendes und kein beschlussfassendes Gremium ist“, erklärt Schmiedl.

Entsprechend groß ist die Hoffnung vor allem der Kleriker, dass Franziskus den Wunsch nach einem Bischofsrat umsetzt. „Die Einberufung der acht Kardinäle, mit denen er die Kurie reformieren will, ist ein sehr vielversprechender Schritt.“ Johannes XXIII. und Franziskus: Beide sind theologisch konservativ eingestellt, beide kommen von außerhalb und nicht aus dem direkten Dunstkreis des Vatikans, beide blicken über den Tellerrand der eigenen Kirche, beide sprechen von einem neuen Pfingsten: Fenster auf, frischer Wind hinein.

Verheutigung der Kirche nennt dies der Fachmann. Die Sehnsucht ist groß. Damals wie heute.

Von unserem Redakteur Michael Defrancesco