Rheinland-Pfalz

Wie die Berufsbiografie die Politik der Parlamentarier prägt

Rahim Schmidt
Rahim Schmidt Foto: Alexander Hoffma

Wenn man so will, besteht der Landtag nicht aus Politikern allein, sondern auch aus Polizisten, Landwirten oder Wissenschaftlern. Denn zu den meisten Abgeordneten gehört ein Beruf, den sie erlernt und ausgeübt haben. Das prägt die Abgeordneten und ihre politische Arbeit.

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Von unserem Reporter Alexander Hoffmann

Ein Beispiel ist Rahim Schmidt. „Ich beschränke mich nicht auf typische Medizinthemen“, sagt der Grünen-Abgeordnete, der promovierter Mediziner ist, als Arzt arbeitet und Erfahrung in der Forschung hat. Auch soziale Fragen, Umwelt-, Natur- und Bildungsthemen sieht Schmidt im Lichte der Medizin.

Schmidt: Arbeite ganzheitlich

„Als Mediziner beginne ich die Behandlung des Patienten mit der Anamnese. Ich frage, wie der Mensch geprägt ist, der vor mir sitzt“, sagt der gebürtige Iraner. „Dann frage ich, warum jemand zu mir kommt, und beginne mit der Diagnose.“

Gleichzeitig strukturiert und ganzheitlich wie ein Arzt zu arbeiten, ist ihm auch als Politiker wichtig. Sein Mandat sieht er geprägt davon, politische Entscheidungen auf die Folgen hin zu untersuchen, die sie für die Gesundheit der Betroffenen haben.

Ein Beispiel: Wenn Schmidt an Ein-Euro-Jobs denkt, dann unweigerlich daran, „dass sie krank machen“. Seine Herleitung ist einfach: „Die Jobs bedeuten eine recht geringe Wertschätzung, das führt zu weniger sozialen Kontakten, die wiederum Stress bedeuten.“ So steigt die Gefahr für Depressionen, Fettleibigkeit und Schlafstörungen.

„Diese ganzheitliche medizinische Sicht habe ich auch als Politiker immer“, sagt Schmidt, der Doktortitel in Agrarwissenschaft und Medizin hat.

Ebenfalls promoviert ist Susanne Ganster – allerdings in einem anderen Fach. Die CDU-Abgeordnete ist Theologin. Wissenschaft und Forschung sind ihr nach wie vor wichtig, sagt sie. Natürlich: Dass sie im Studium Hebräisch gelernt hat, ist nichts, wovon ihre politische Arbeit profitieren könnte. Aber die Pfälzerin glaubt, dass gerade der Schwerpunkt ihrer Doktorarbeit, das Kirchenrecht, ihre Politik befruchtet.

Glaubensfragen immer dabei

„Beim Kirchenrecht gibt es sehr klare, eben juristische Grundlagen“, erklärt sie. Das schult rationales Denken und strukturiertes Arbeiten. Im Landtag Gesetzestexte bis aufs Komma genau zu lesen, liegt ihr deswegen. Fragen nach dem Verhältnis von Glauben und Moral, sagt die 36-Jährige, spielen natürlich auch eine Rolle bei diesem Studium.

„Moraltheologie war einer meiner Schwerpunkte im Studium“, sagt Ganster. Die Frage, wie sich der Mensch verhalten soll, präge auch ihre politische Arbeit. Sie betont, sich nicht dem Fraktionszwang hinzugeben, sondern im Zweifel das eigene Gewissen entscheiden zu lassen – ob bei sensiblen Themen wie der Stammzellenforschung oder ganz Alltäglichem wie dem Thema Schülerbeförderung.

In ihrem Wahlkreis sei kostenloses Schulbusfahren wichtig. Darum habe sie sich bei der Abstimmung darüber nicht ihrer Fraktion angeschlossen. „Letztlich entscheidet das eigene Gewissen, das ist wichtig.“ Die Zeit, in der Ganster ein Bildungshaus geleitet hat, hat sie auch geprägt: Dort hat sie Personalführung gelernt. Das ist durchaus hilfreich für das Geschäft einer Abgeordneten.

Der jüngste Abgeordnete hatte einen der körperlich anstrengendsten Jobs: Benedikt Oster (24) ist gelernter Straßenwärter. Im Sommer Grünschnitt, Pflasterarbeiten, Mauern errichten. Im Winter mit den Kollegen beim Landesbetrieb Mobilität mitten in der Nacht raus, um mit dem Schneepflug die Straßen rund um Mayen zu räumen: Oster ist daran gewöhnt, kräftig anzupacken, zu arbeiten, bis Hände und Rücken wehtun.

Anzug und Schlips statt Arbeitskluft – seit der Sozialdemokrat im Landtag sitzt, ist sein Alltag ein anderer. Ganz den Bezug zu seinem früheren Job verlieren, das wollte Oster aber nicht.

Wichtig, was an der Basis passiert

Im Gegenteil: Der 24-Jährige glaubt daran, dass ihm seine Herkunft erst recht möglich macht, als Volksvertreter das Volk tatsächlich zu vertreten: „Es ist wichtig zu wissen, was an der Basis passiert. Mein früherer Beruf ermöglicht mir das“, sagt Oster.

Gerade als Sozialdemokrat will er sich für den kleinen Mann einsetzen. Der Abgeordnete des Wahlkreises Cochem-Zell findet, man muss als Parlamentarier „im Plenum auch mal aus dem Leben berichten können. Es geht in der Politik schließlich nicht nur um Paragrafen.“

Deshalb sind auch nicht nur Akademiker für die Politik geeignet, findet Oster. „Es kommt doch auf den gesunden Menschenverstand an. Und dafür muss man nicht unbedingt studiert haben.“ Im Gegenteil: Oster ist skeptisch denen gegenüber, die nur Schreibtisch und Akten kennen.

„Ich bin mir nicht sicher, ob alle Abgeordneten nah genug bei den Leuten sind, um zum Beispiel beurteilen zu können, wie wichtig der Nürburgring wirklich für die Region ist“, sagt er.

Das Thema Mindestlohn liegt ihm auch am Herzen: Gutes Geld für harte Arbeit, darauf kommt es Oster an.

Ob Ganster, Schmidt oder Oster gern wieder in ihren früheren Jobs aktiv wären? Der junge Sozialdemokrat sagt jedenfalls frank und frei: „Es gibt auch Tage, an denen ich die körperliche Arbeit von früher vermisse.“