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Autotest

Porsche-Parodie aus China oder ernsthafter Stromer?

Von dpa/tmn
Ora 07
Glubschäugig und knuffig: Auch, wer sich beim Design nicht an einen Porsche Panamera erinnert fühlt, muss zugeben, dass der Ora 07 zumindest auffällt. (zu dpa: «Porsche-Parodie aus China oder ernsthafter Stromer?») Foto: GWM/DPA

Der Name ist unscheinbar, die Form verdächtig. Wenn Ora jetzt den 07 bringt, dürften sich viele an den Porsche Panamera erinnert fühlen. Dabei zielt die E-Limousine auf Autos wie den Hyundai Ioniq 6.

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Berlin (dpa/tmn). Seriös, eigenständig und bisweilen sogar wegweisend – wenn zuletzt von China-Autos die Rede war, dann gab es immer reichlich Lob, und neben der Elektrotechnik galt das vor allem der eigenen Design-Identität.

Doch mit dem 07 der die Great Wall-Tochter Ora fühlt man sich jetzt wieder an die Zeit der Klone, Kopien und Karikaturen erinnert. Denn so deutlich wie schon lange nicht mehr haben sich die Chinesen für ihre große Limousine den Porsche Panamera zum Vorbild genommen. Nur, dass es den Gran Turismo aus Stuttgart allenfalls als Plug-in-Hybrid und ansonsten als reinen Verbrenner gibt.

Ora 07
Lang gestreckte Silhouette: Der Ora 07 ist 4,87 Meter lang. (zu dpa: «Porsche-Parodie aus China oder ernsthafter Stromer?»)
Foto: GWM/DPA

Der Ora dagegen fährt rein elektrisch vor. Und es gibt noch einen entscheidenden Unterschied: Während die Porsche-Preisliste bei 110.900 Euro beginnt, hört die des Ora 07 bei 53.490 Euro schon wieder auf – und fängt bereits bei 41.990 Euro an.

Nicht Porsche, sondern Hyundai im Blick

Ora 07
Aufbruchstimmung: Bei rund 520 Kilometer Reichweite sind auch längere Fahrten kein Problem. (zu dpa: «Porsche-Parodie aus China oder ernsthafter Stromer?»)
Foto: GWM/DPA

Rundscheinwerfer, weit ausgestellte Kotflügel und ein Heck in Bausch und Bogen – zwar sind die Parallelen zum Porsche unverkennbar. Und wegen der ovalen Rückleuchten spielt sogar noch ein wenig vom ersten Bentley Continental mit hinein.

Ora 07
Nobel ausgeschlagenes Interieur mit vielen elektrischen Helferlein: Der Hersteller versucht, es der Besatzung so angenehm wie möglich zu machen. (zu dpa: «Porsche-Parodie aus China oder ernsthafter Stromer?»)
Foto: GWM/DPA

Doch sieht Ora den 07 vor allem als Wettbewerber des Hyundai Ioniq 6: Mit 4,07 Meter ist er auf den Zentimeter gleich lang und sticht mit seinem Stromlinien-Design mindestens genauso stark aus dem Mainstream heraus. Und nicht nur die Preise sind in dem Fall etwas näher beisammen, schließlich kostet der Hyundai zwischen 43.900 und 61.100 Euro, sondern auch die Eckdaten des Antriebs sind vergleichbar.

Ora 07
Platz da! Unser Tester empfand sowohl das Platzangebot als auch die Bequemlichkeit der Sitze als sportlich (vor allem vorn) und bequem (besonders hinten). (zu dpa: «Porsche-Parodie aus China oder ernsthafter Stromer?»)
Foto: GWM/DPA

Angeboten wird der Ora 07 in der Basisversion mit einer E-Maschine mit 150 kW/204 PS an der Vorderachse. Das Top-Modell hat zwei Motoren mit 300 kW/408 PS und dann auch Allradantrieb.

Gemütlich auf der linken Spur

Ora 07
Mehr als das: Der Kofferraum fasst zwischen 333 bis 1.045 Liter und damit viel, viel mehr, als für Aktentasche und Weekender erforderlich ist. (zu dpa: «Porsche-Parodie aus China oder ernsthafter Stromer?»)
Foto: GWM/DPA

Beim Fahrern ist der Chinese den Koreanern ebenfalls näher als den Schwaben: Ja, die Lenkung ist präzise und für asiatische Verhältnisse vergleichsweise direkt. Und auf der Teststrecke am Stammsitz des Mutter-Konzerns Great Wall Motors in Baoding macht auch das Fahrwerk eine gute Figur, federt die Bodenwellen sauber weg und gibt dem Fahrer ein gutes Gefühl für den häufig wechselnden Straßenbelag.

Doch auch wenn er wie ein Porsche beschleunigt und aus dem Stand im besten Fall nach 4,5 Sekunden auf Tempo 100 ist – so richtig engagiert und einnehmend ist der Ora 07 nicht, sondern lässt es eher gemütlich angehen. Er nimmt den Fahrer weniger mit, bindet ihn nicht so stark ein. Kurzum: Er verleitet weniger dazu Gas – äh – Strom zu geben.

Vergleichsweise synthetisch und sediert, hat er lieber lange Strecken mit vielen Geraden als kurvige Kurztrips in die Berge. Und spätestens bei Vollgas muss er ohnehin jeden Porsche ziehen lassen, weil ihm die Elektronik schon bei 180 km/h den Stecker zieht. So ist der Möchtegern-Panamera wie so viele Autos aus China weniger zum Fahren gemacht als zum Ankommen.

Lange fahren, langsam laden

Wobei das Ankommen gerne auch mal ein bisschen warten darf: Bei Batteriegrößen von 67 und 86 kWh bietet der Gran Turismo aus Fernost schließlich bis zu 520 Kilometer Reichweite. Allerdings ist dafür am Ende der Fahrt leider ebenfalls Geduld angesagt. Denn beim Laden schmieren die Chinesen ab und geben sich beschaulich: Mit 11 kW am Wechsel- und bis zu 88 kW am Gleichstrom gehören sie zu den langsamsten in dieser Liga. Das wissen sie allerdings auch in Baoding und wollen sich um baldige Besserung bemühen.

Finesse für Fahrer und Passagiere

Ohne Fehl und Tadel sind dagegen der Innenraum, das Ambiente und die Ausstattung: Die Kabine mit der von Porsche entlehnten, schräg zwischen die Sitze ragenden Mittelkonsole und den verschachtelten Instrumenten ist nobel mit Ledernachbildung ausgeschlagen. Die Oberflächen fühlen sich zudem gut an und fast jeden Handgriff erledigt ein E-Motor.

Die Kabine wird zudem hübsch beleuchtet und wirkt mit dem großen Panoramadach luftiger, als sie bei 2,87 Metern Radstand tatsächlich ist. Vorn sitzt man in sportlich ausgeschnittenen Sesseln, die auf Wunsch klimatisiert sind und massieren können. Hinten gibt's eine bequeme Bank und der Kofferraum fasst 333 bis 1.045 Liter.

Dazu spendiert Ora seiner Kundschaft reichlich elektronische Assistenz, die allerdings wachsam ist bis hart an die Geduldsgrenze und entsprechend gerne blinkt und piept. Es gibt vielfältige Unterhaltung auf dem großen Touchscreen, eine verständige Sprachsteuerung mit künstlicher Intelligenz. Und sie bauen sogar serienmäßig ein Head-up-Display ein. Da könnte sich selbst Porsche ein Beispiel nehmen, so großzügig sind die Chinesen.

Fazit: Ein Exot für die Generation E

Er sieht je nach Perspektive verwegen aus oder kurios, ist aber unter seiner schrägen Hülle ein ausgesprochen seriöses Elektroauto, das für einen attraktiven Preis viel Substanz bietet.

Dummerweise ist der Ora 07 damit nicht alleine. Und während sein kleiner Bruder 03 als knuffige Knutschkugel im Heer der Kleinwagen vielleicht noch punkten kann, bleibt dem Gran Turismo so nur die Rolle als Exot für die Generation E, der vor allem als preiswerte Porsche-Parodie gehandelt werden könnte.

Datenblatt: Ora 07 GT

Motor und Antrieb:Zwei Elektromotoren
Max. Leistung:300 kW/408 PS
Max. Drehmoment:680 Nm
Antrieb:Allradantrieb
Getriebe:Einstufen-Automatik
Maße und Gewichte
Länge:4870 mm
Breite:1860 mm
Höhe:1500 mm
Radstand:2870 mm
Leergewicht:2135 kg
Zuladung:k.A.
Kofferraumvolumen:333 – 1.045 Liter
Fahrdaten
Höchstgeschwindigkeit:180 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h:4,5 s
Batteriekapazität (brutto): 86 kWh
Durchschnittsverbrauch:17,5 kWh/100 km
Reichweite:520 km
Ladeleistung AC/DC: 11/88 kW
CO2-Emission:0 g/km
Kraftstoff:Strom
Energieeffizienzklasse:A
Kosten
Basispreis der Modellreihe: 41.990 Euro
Basispreis des Ora 07 GT:53.490 Euro
Typklassen:k.A.
Kfz-Steuer:0 Euro/Jahr
Wichtige Serienausstattung
Sicherheit:Abstandsregeltempomat mit aktiver Spurführung, Front- und Heckkollisionswarner
Komfort:Head-up-Display, Massagesitze, Polster in Ledernachbildung
Spritspartechnik:Start-Stopp-Automatik

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