Leistung trifft Komfort – Fahrbericht: Lotus Emeya

Von Peter Maahn, SP-X
Bis 900 PS Leistung, ein Tempo-100-Spurt in weniger als drei Sekunden – da können auch E-Auto-Hasser nicht meckern
Bis 900 PS Leistung, ein Tempo-100-Spurt in weniger als drei Sekunden – da können auch E-Auto-Hasser nicht meckern Foto: Lotus

Bis 900 PS Leistung, ein Tempo-100-Spurt in weniger als drei Sekunden – da können auch E-Auto-Hasser nicht meckern. Mit einer Reichweite von mehr als 600 Kilometern bietet der Lotus gleichzeitig hohe Alltagstauglichkeit. Wenn da nicht der hohe Preis wäre.

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SP-X/München. Die britische Marke Lotus gehört inzwischen dem chinesischen Konzern Geely, die Schwestermarken sind unter anderem Volvo, Polestar, Smart. Kein Wunder also, dass die flache, aber geräumige elektrische Schrägheck-Limousine Emeya in China gebaut wird. Der Preis von mindestens 106.400 Euro mutet schon eher britisch an.

Bis 900 PS Leistung, ein Tempo-100-Spurt in weniger als drei Sekunden – da können auch E-Auto-Hasser nicht meckern
Bis 900 PS Leistung, ein Tempo-100-Spurt in weniger als drei Sekunden – da können auch E-Auto-Hasser nicht meckern
Foto: Lotus

Der Emeya sorgt schon beim ersten Rundgang für Herzklopfen. Das steigert sich noch beim Studium der technischen Daten. Das Topmodell kommt mit 675 kW/905 PS aus zwei E-Motoren und Allradantrieb. Gewaltig das Drehmoment von 985 Newtonmetern, der Spurt in 2,8 Sekunden auf 100 km/h verrät einen wachechten Sportler. Trotz oder wegen des Elektromotors.

Unterm Strich ist der neue Lotus eine starke Ansage, die der chinesische Besitzer Geely da zurück in Richtung Europa sen
Unterm Strich ist der neue Lotus eine starke Ansage, die der chinesische Besitzer Geely da zurück in Richtung Europa sendet
Foto: Lotus

Dabei ist der Emeya eigentlich eine Fließheck-Limousine, die mit über fünf Metern Länge zweifellos zur Oberklasse zählt, auch wenn die Höhe von nur 1,46 Metern eher einer Flunder mit glatter Außenhaut zur Ehre gereicht. Der Viertürer mit versenkten Türgriffen wird von einem flach abfallenden Dach beschirmt, das bis an den Heckspoiler reicht, hinter dem dann die große Klappe beginnt. Bis zu 1.388 Liter passen bei umgelegten Rücksitzen in den Laderaum.

 Vorne das übliche Bild fast aller Stromer. Natürlich beherrscht ein 15,1-Zoll-Monitor für Navi und Entertainment die Op
Vorne das übliche Bild fast aller Stromer. Natürlich beherrscht ein 15,1-Zoll-Monitor für Navi und Entertainment die Optik
Foto: Lotus

Ähnlich geräumig die Komfort-Zone für die Insassen in beiden Sitzreihen. Da die Achsen über drei Metern voneinander entfernt sind, gibt’s im Fond keinen Kniescheiben-Kontakt zur Rückseite der Vordersitze. Auch die Frisur bleibt vom Autohimmel trotz des sich gen Heck neigenden Dachs unberührt. Das alle zahlt auf das Komfortkonto des Emeya ein. Vorne das übliche Bild fast aller Stromer. Natürlich beherrscht ein 15,1-Zoll-Monitor für Navi und Entertainment die Optik. Hinter dem oben und unten abgeflachtem Lenkrad verbleibt eine schmale Leiste mit digitalen Basisinfos wie Tacho. Der reicht deshalb aus, weil ein großes in die Windschutzscheibe gespiegeltes Headup-Display alle wesentlichen Infos liefert.

Die britische Marke Lotus gehört inzwischen dem chinesischen Konzern Geely, die Schwestermarken sind unter anderem Volvo
Die britische Marke Lotus gehört inzwischen dem chinesischen Konzern Geely, die Schwestermarken sind unter anderem Volvo, Polestar, Smart
Foto: Lotus

Wer nach den Griffen für die Türen fahndet, sucht vergeblich. Sie wurden durch Druckknöpfe ersetzt, die die Ausgänge elektrisch freigeben. Aber nur dann, wenn eine Kamera keine Gefahr durch ein von hinten nahendes Auto entdeckt hat. Unser Test-Emeya verzichtet auch auf klassische Rückspiegel-Ohren. Sie wurden durch zwei kleine Monitore auf beiden Seiten ersetzt, die Bilder der jeweiligen Außenkameras liefern. Darüber wird noch zu reden sein.

Der Viertürer mit versenkten Türgriffen wird von einem flach abfallenden Dach beschirmt, das bis an den Heckspoiler reic
Der Viertürer mit versenkten Türgriffen wird von einem flach abfallenden Dach beschirmt, das bis an den Heckspoiler reicht
Foto: Lotus

Schon auf den ersten Metern ist erlebbar, in welchem besonderen Auto man gerade sitzt. Es braucht ein paar Kilometer Übung, wie mit der schieren Kraft bei beiden Motoren umzugehen ist. Die Reaktion schon bei sanfter Berührung des rechten Pedals nötigt Respekt ab. Zum Glück meldet sich umgehend eine optisch und akustische Tempowarnung, die ihre Daten aus den Navigationsdaten und den Frontkameras bezieht. Dann endlich das freie Geläuf einer deutschen Autobahn. Der Emeya liefert ab, was seine Leistungsdaten versprechen. Beeindruckend der Antritt, der all die anderen da draußen regelrecht zu Kriechern macht. Selbst wenn auch die übrigen Autos flott unterwegs sind, kann der Lotus immer noch zulegen.

Das Topmodell kommt mit 675 kW/905 PS aus zwei E-Motoren und Allradantrieb
Das Topmodell kommt mit 675 kW/905 PS aus zwei E-Motoren und Allradantrieb
Foto: Lotus

Wobei jetzt die Kameras ins Spiel kommen, die die klassischen Rückspiegel ersetzen. Die Monitore sind für das pure Geschehen im Rückraum einfach zu klein geraten, um ein schnell herannahendes Auto frühzeitig zu entdecken. Im Stadtverkehr kein Problem, auf der Autobahn erweist sich die Innovation als praxisfremd. Zum Glück liefert Lotus auch die gewohnte Normalität echter Spiegel. Das spart zudem den Aufpreis für die Außenkameras von immerhin 2.300 Euro, auch wenn das beim Preis unseres Emeya R von fast 160.000 Euro kaum ins Gewicht fällt.

Der Emeya sorgt schon beim ersten Rundgang für Herzklopfen
Der Emeya sorgt schon beim ersten Rundgang für Herzklopfen
Foto: Lotus

Abbiegen auf die Serpentinen der Allgäuer Berge in Richtung Österreich. Uniformierte Tempowächter sind auf der Hut, lauern unvermittelt ebenso effektiv wie ihre automatischen Radar-Kollegen. Der Emeya muss sich einreihen, sein Potential ungenutzt bleiben. Jetzt zeigt der Nachkomme puristischer Sportflitzer sein anderes Gesicht. Eine komfortable Reiselimousine der feinen Art, in denen die mit recycelten Textilresten bespannten Sitze zu fleißigen Masseuren werden, die Audio-Anlage mit der Elbphilharmonie wetteifert und die elektronische Dämpfung alles Störende wegbügelt. Bei der Umrundung enger Biegungen hilft die Hinterachslenkung. Natürlich hat ein so teures Auto alles an Bord, was die moderne Sicherheitstechnik so bietet. Lobenswert, dass sich diese Fülle an Assistenten auch im Basis-Modell (ab 106.400 Euro) serienmäßig wiederfindet.

Beim Ladestopp zeigt sich eine andere Stärke des Emeya. Der 102 kWh-Akku kann mit einer Ladeleistung von bis zu 400 kW in weniger als einer Viertelstunde von 10 auf 80 Prozent der Batterieladung wieder fit gemacht werden. Hilfreich dabei ist das 800-Volt-Bordnetz. Gut 435 Kilometer weit soll der Top-Emeya mit seiner gewaltigen Kraft unter der Haube kommen. Wer sich mit weniger Power begnügen will, kommt im S-Modell mit seinen „nur“ 450 kW/603 PS über 600 Kilometer weit. Das gleiche gilt für das Einstiegsmodell.

Unterm Strich ist der neue Lotus eine starke Ansage, die der chinesische Besitzer Geely da zurück in Richtung Europa sendet. Ohne Zweifel eines der besten E-Autos auf dem Markt, überragende Leistung, gepaart mit einem Paket an Technik und vielen guten Ideen. Der hohe Preis wird die Zahl der Kunden zwar überschaubar halten, aber an einschlägigen Stammtischen und in Facebook-Foren muss wohl über Sinn und Zukunft elektrischer Autos neu diskutiert werden.

Lotus Emeya R – Technische Daten

Fünftürige Sportlimousine der Luxusklasse; Länge: 5,14 Meter, Breite: 2,12 Meter (mit Außenkameras), inklusive „echter“ Außenspiegel 2,25 m, Höhe: 1,46 Meter, Radstand: 3,07 m, Kofferraumvolumen: vorne: 31 l, hinten 426 l, gesamt (bei umgeklappten Sitzen): 1.388 l

Zwei Elektromotoren, vorn 225 kW, hinten 450 kW, Gesamtleistung: 675 kW/905 PS, maximales Drehmoment: 985 Nm, Batteriekapazität: 102 kWh, 800-Volt-Bordnetz, Allradantrieb, Reichweite kombiniert 435 km, Ladeleistung: DC-Schnelllader 350 kW: 10 bis 80 % 14 Minuten. 22 kW-Wallbox: 5,5 h, 2-Gang-Automatikgetriebe, 0-100 km/h: 2,8 s, Vmax: 256 km/h, Normverbrauch: 21,3 – 23,1 kWh/100 km, CO2-Emission: 0 g/km, Preis: ab 150.990 Euro

Weitere Motorisierungen:

Lotus Emeya S

Zwei Elektromotoren, vorn 225 kW, hinten 225 kW, Gesamtleistung: 450 kW/603 PS, maximales Drehmoment: 710 Nm, Batteriekapazität: 102 kWh, 800-Volt-Bordnetz, Allradantrieb, 2-Gang-Automatikgetriebe, Reichweite kombiniert 610 km, Ladeleistung: DC-Schnelllader 350 kW: 10 bis 80 % 18 Minuten. 22 kW-Wallbox: 5,5 h, 1-Gang-Automatikgetriebe, 0-100 km/h: 4,2 s, Vmax: 250 km/h, Normverbrauch: 17,7 – 20,5 kWh/100 km, CO2-Emission: 0 g/km, Preis: ab 126.950 Euro

Lotus Emeya (Basismodell):

Elektromotor, 450 kW/612 PS, maximales Drehmoment: 710 Nm, 1-Gang-Automatikgetriebe; Reichweite kombiniert 610 km, Ladeleistung: DC-Schnelllader 420 kW: 10 bis 80 % 20 Minuten. 22 kW-Wallbox: 5,5 h, 1-Gang-Automatikgetriebe, Heckantrieb, 0-100 km/h: 4,2 s, Vmax: 250 km/h, Normverbrauch: 18,7 kWh/100 km, CO2-Emission: 0 g/km, Preis: ab 106.400 Euro

Kurzcharakteristik:

Warum: Weil er wegen seiner Kraft die meisten Verbrenner in den Schatten stellt, eine vernünftige Reichweite und schnelles Laden bietet

Warum nicht: Weil so viel Power niemand wirklich braucht

Was sonst: Porsche Taycan, Tesla S, Mercedes AMG EQE oder Audi e-tron GT

Wann kommt er: Kann schon bestellt werden, erste Auslieferung in diesem Juli

Peter Maahn/SP-X