Kassensturz: Ist der Länderfinanzausgleich noch (zeit-)gerecht?

Bayern und Hessen wollen noch vor den Wahlen im Herbst gegen den Länderfinanzausgleich klagen. SPD und Grüne halten davon nichts, auch in der CDU herrscht Kopfschütteln. Beim Verfassungsgericht gibt es unterdessen keine Prognosen.

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Niemals würde man eine Klage kommentieren, schon gar nicht eine, die noch nicht bei Gericht angekommen ist. Dass Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle einst bei einer Feier zum Tag der Deutschen Einheit ganz allgemein die Schaffung gleicher Lebensverhältnisse in Deutschland anmahnte, reicht nicht aus für eine treffsichere Prognose.

Juristische Debatte für Experten

Für die juristische Debatte mit dem zuständigen und von Voßkuhle geführten Zweiten Senat hat sich die bayerische Staatsregierung aber mit juristischem und volkswirtschaftlichem Sachverstand aus der ersten Reihe der Professorenschaft gewappnet.

Der Klage-Schriftsatz wird erstellt zum einen durch den Wirtschaftsweisen Lars Feld aus Freiburg, zum anderen von den Juraprofessoren Hanno Kube aus Mainz und Christian Seiler aus Tübingen. Alle drei haben bereits Alternativmodelle für den Finanzausgleich entworfen – im Sinne und im Auftrag von Landtagsfraktionen der CDU, CSU und FDP oder Regierungen von Geberländern. Die endgültige Fassung liegt nach Informationen unserer Zeitung noch nicht vor.

Das Thema selbst ist hochkomplex. Seit 1986 gab es in Karlsruhe vier Klagen gegen den Länderfinanzausgleich und vier umfangreiche Urteile. Allzu viel Honig können Bayern und Hessen aus diesen Urteilen aber nicht saugen. Bis auf eine Ausnahme – nämlich 2006 mit der Abweisung der Klage Berlins, als jenes auf zusätzliche Mittel klagte – erlauben sie unterschiedliche Interpretationen. Immer weist das Gericht dem Gesetzgeber einen hohen Gestaltungsspielraum zu.

Am ehesten vergleichbar ist die jetzige Konstellation mit der von 1999: Die Geberländer Baden- Württemberg, Bayern und Hessen klagten damals, weil sie sich über die Maßen belastet sahen. Das Verfassungsgericht forderte in seinem Urteil im November 1999 ein Maßstäbegesetz, um allzu freihändige Absprachen der Ministerpräsidenten einzudämmen. Auf Grundlage dieses Gesetzes sei der Finanzausgleich neu zu regeln. Beides sollte bis 2004 erfolgen, was auch geschah. Die neuen gesetzlichen Regelungen gelten seit 2005 und befristet bis 2019 – mit den bekannten Folgen für die immer noch zahlenden drei Süd- Bundesländer. Zentraler Satz in der damaligen Urteilsbegründung: „Er (der horizontale Finanzausgleich) hat die richtige Mitte zu finden zwischen der Selbstständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Bewahrung der Individualität der Länder auf der einen und der solidargemeinschaftlichen Mitverantwortung für die Existenz und Eigenständigkeit der Bundesgenossen auf der anderen Seite.“ Doch wo ist diese Mitte?

Leere Kassen treiben vor Gericht

1992 ging das Ganze andersrum: Die Nehmerländer Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Saarland klagten angesichts extrem leerer Kassen.

Sie sahen sich im Ausgleich nicht ausreichend berücksichtigt. Die Klagen hatten zum Teil Erfolg. 1986 wiederum klagten die damaligen Geberund Nehmerländer Nordrhein- Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg, Bremen und das Saarland. Streitpunkt damals: Wie wird die Finanzkraft eines Landes richtig ermittelt? Die Steuerkraft sei mit der Finanzkraft nicht gleichzusetzen, entschied das Gericht und verlangte Änderungen.

Theo Westermann