Eine Verschwörung ergibt politisch keinerlei Sinn

Von Frank Herrmann

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Es klingt alles so verrückt, als hätte sich Hollywood die Geschichte ausgedacht. Iranische Ajatollahs trachten dem Botschafter Saudi-Arabiens in Washington nach dem Leben. Auf der Suche nach skrupellosen Killern landen sie bei einem mexikanischen Drogenschmuggler, der in Wahrheit für die Drogenfahndung arbeitet und den Plan natürlich auffliegen lässt. Ein vereiteltes Mordkomplott? Oder abstruse Fantasien von Wirrköpfen?

Beantworten lässt sich die Frage schlicht nicht. Nicht bei der dürren Beweislage. Mag sein, dass FBI-Chef Robert Mueller recht hat und das Leben der Schattenwelt Drehbücher schreibt, die sich Krimiautoren kaum bizarrer ausdenken könnten. Vielleicht entpuppt sich der vermeintliche Mordplan aber auch als großes Hirngespinst, wer kann das heute schon wissen. Skepsis ist allemal angebracht.

Ja, es stimmt, Iran und Saudi-Arabien sind Nachbarn, die einander zutiefst misstrauen. Seit Wikileaks geheime Depeschen enthüllte, weiß man, wie resolut das Königshaus in Riad die eher zögerlichen Amerikaner zu einem Angriff gegen Teheran drängte, um einer eventuellen Atombombe zuvorzukommen. Da in Bagdad ein schiitisch dominiertes Kabinett regiert, praktisch das pro-iranische Gegenstück zum sunnitischen Iran-Hasser Saddam Hussein, sehen sich die Saudis regional in der Defensive. Es mangelt also nicht an Zündstoff für einen Konflikt. Allerdings ergibt eine Verschwörung politisch keinerlei Sinn.

Die Ajatollahs wissen genau, dass sie den Amerikanern den Fehdehandschuh hinwerfen, wenn sie Auftragskiller ausgerechnet in die amerikanische Hauptstadt beordern. Und so widerlich manche Erklärungen Ahmadinedschads klingen – vor einer direkten Konfrontation mit den USA schreckt auch seine Regierung zurück. Das Weiße Haus wiederum kann kein Interesse an einer Eskalation haben. Nach zehn Jahren Krieg in Afghanistan und im Irak will Obama Amerika in den Vordergrund rücken, die Aufholjagd eines Landes, dessen marode Straßen, Brücken und Schienen stellenweise an Drittweltniveau erinnern. Noch eine kostspielige, hochriskante Militäraktion im Nahen Osten?

So viel zu den Szenarien, nach denen das merkwürdige Komplott mit dem Codenamen „Chevrolet“ zwangsläufig zu einer Zuspitzung führt. Im Atomstreit wird Washington den Druck verstärken. Strengere Sanktionen stehen zur Debatte, der Ton dürfte schärfer werden. Auf einen Waffengang läuft es (hoffentlich) nicht hinaus, wohl aber auf eine Nervenprobe.

E-Mail an den Autor: frank.herrmann@rhein-zeitung.net