Von unserem Redakteur Michael Defrancesco
Dieses Atelier hat etwas von einem Andachtsraum. „Das ist gar nicht so falsch“, sagt Beate Heinen schmunzelnd, „hier im Atelier ist bei Gruppenbesuchen auch schon oft mit einem Geistlichen die heilige Messe gefeiert worden.“
Am morgigen Sonntag wird die Kunstmalerin 70 Jahre alt. Morgen für Morgen erfreut sie die Leser unserer Zeitung mit ihrer Rubrik „Nachgedacht“, und wer Beate Heinen kennt, der weiß: Hinter ihren Ideen steckt ein lebendiger, funkensprühender Glaube. Es dauert keine zwei Minuten nach der Begrüßung, da findet sich der Besucher bereits in einem Glaubensgespräch wieder.
„Der rote Faden in meinem Leben ist meine Beziehung zu Gott“, sagt Beate Heinen nachdenklich. So einiges hat sie erlebt in ihren 70 Jahren, Höhen und Tiefen, Brüche und Heilungen von Brüchen. „Gott hat alles geführt und gefügt“ – da ist sie sicher. Und diese tiefe Bindung an Gott malt sie, zeichnet sie, gestaltet sie Tag für Tag in ihre Werke hinein – und sie inspiriert so Zehntausende immer wieder aufs Neue. Beate Heinens Kreativität ist ein Quell, der auch mit 70 nicht zu versiegen scheint.
„Wissen Sie, dass ich als Kind schon gemalt habe? Ich erzähle Ihnen meine früheste Erinnerung, die ich habe“, sagt Beate Heinen und lehnt sich gemütlich im Stuhl zurück. Die Vergangenheit wird lebendig. Zweiter Weltkrieg. 1944. Beate Heinen wird in Essen geboren. Immer wieder muss die Familie vor den Bombenangriffen in den Bunker flüchten. Alles geht gut – bis eines Tages das Haus der Heinens nach einem Bombenangriff wie vom Erdboden verschwunden ist. Sie müssen fliehen und finden eine neue Heimat im Westerwald, wo ausgebombte Mütter mit ihren Kindern versorgt wurden und in Sicherheit vor weiteren Angriffen waren. Beate Heinen ist vier Jahre alt, als sie mit Freundinnen zusammen auf der Straße spielt und den Bürgersteig bemalt. Die anderen Kinder schauen zu, und ein vorlautes Mädchen sagt: „Das darfst du nicht, Beate, wenn der Polizist das sieht, dann kommst du ins Kittchen!“
Klein-Beate zuckt mit den Schultern – gut, ins Kittchen will sie nicht, aber sie will auch malen. Jetzt. Da schreien die Kinder auf: Der Polizist des Ortes kommt – tatsächlich. Die Kinder rennen weg, bis auf eins: Beate bleibt wie angewurzelt stehen, sie kann vor Angst keinen Schritt tun. Der Polizist kommt auf sie zu: „Na, Kleine?“, grüßt er freundlich. Das Mädchen zittert und haucht: „Komm ich jetzt ins Kittchen?“ – „Warum das denn?“, fragt der Polizist verdutzt. „Weil ich den Bürgersteig bemalt habe“, sagt das Mädchen ängstlich. Der Polizist macht einen Schritt zurück und bestaunt die Zeichnung: „Das hast du gemacht? Wirklich?“ Klein-Beate nickt ergeben. „Das ist wunderschön!“, lobt der Polizist, „dafür spendiere ich dir ein Eis.“
Beate Heinen muss lachen. „Das war das erste Honorar, das ich für meine Malereien bekommen habe! Und von dem Tag an habe ich den Polizisten vergöttert und wich nicht mehr von seiner Seite.“
Die Malerei – neben der Liebe zu Gott der zweite rote Faden im Leben der Beate Heinen. Mit 16 verließ sie die Schule – sie zeichnete lieber, als dass sie für Mathe paukte. Sie bewarb sich in Köln zum Kunststudium, schickte Arbeiten ein und wurde tatsächlich im Rahmen einer Sonderprüfung zugelassen. „Ich war 16, ich war Studentin, ich durfte nur noch malen – das war der Himmel auf Erden.“
Bald sollte sie einen weiteren Himmel auf Erden kennenlernen: das Kloster Eibingen oberhalb von Rüdesheim. Ihre große Schwester wollte dort eintreten und Nonne werden, und auch Beate Heinen verspürte den Wunsch, Ordensschwester zu werden. Aber sie war noch zu jung, und ihre Mutter war dagegen. „Sie sagte, ich solle erst etwas Anständiges lernen und dann mit 19 ins Kloster eintreten, wenn ich dann immer noch wollte.“ Beate war wütend und beschwerte sich – beim Papst. „Ich schrieb an Johannes XXIII., er solle bei meiner Mutter ein Machtwort sprechen.“ Und sie erhielt tatsächlich Antwort aus dem Vatikan: Er freue sich, dass sie Ordensschwester werden wolle, schrieb der Papst, aber Jesus sei auch erst mit 30 Jahren aktiv geworden und habe vorher seinen Eltern gehorcht. So solle auch sie vorerst noch brav auf ihre Mutter hören. „Ich war total sauer und zerriss den Brief“, erinnert sich Beate Heinen.
Ins Kloster ging sie dann tatsächlich – als die Zeit reif war. Sie bekam den Namen Schwester Felicitas und sah im kontemplativen Leben der Benediktinerinnen ihre Lebensberufung. Zumindest einen Teil davon, denn auch im Kloster ließ sich Schwester Felicitas weiter als Malerin ausbilden. So kam es, dass die Benediktiner von Maria Laach auf sie aufmerksam wurden, 1971 war dies. Pater Drutmar Cremer sah bei einem Besuch im Kloster Eibingen ihr Gemälde des brennenden Dornbuschs und fragte nach, wer die Künstlerin sei und ob sie auch für Maria Laach arbeiten könne. Die Äbtissin erlaubte es, und die Ära „Laach“ begann.
„Anfangs war ich nicht begeistert davon, dass ich Zeichnungen für Spruchkarten machen sollte“, erinnert sich Beate Heinen schmunzelnd. Aber dann war sie erstaunt: „Die Karten kamen unheimlich gut bei den Menschen an.“ Kein Wunder, sie waren in der damaligen Zeit ein Alleinstellungsmerkmal für die Abtei Maria Laach, und der Kunstverlag schwang sich dank der Heinen-Spruchkarten zu ungeahnten Höhen auf. Beate Heinen und Maria Laach verschmolzen gleichsam miteinander und standen füreinander ein.
Die Benediktiner hielten zu Beate Heinen. Immer. Auch als sie sich kurz vor ihrem 30. Geburtstag entschied, das Kloster zu verlassen und wieder als weltliche Frau zu leben. Auch als sie zehn Jahre später unehelich eine Tochter bekam.
70 Jahre, in denen Beate Heinen ihren Weg ging – immer an Gottes Hand, da ist sie sich sicher. 70 Jahre, in denen Beate Heinen stets den Blick aufs Heute hatte. „Es war mir immer wichtig, christlichen Glauben in die heutige Zeit zu übersetzen“, sagt die Künstlerin, die keine Probleme damit hatte, die liebliche Weihnachtskrippe im Sperrmüllwagen und in Hinterhöfen zu malen. „Das war manchem anfangs nicht fromm genug“, erinnert sie sich – aber die unzähligen Heinen-Fans sprachen eine deutliche Sprache und kauften auch diese ungewöhnlichen Karten.
Heute blickt Beate Heinen aber nicht nur zurück. Sie hat die Liebe ihres Lebens gefunden, „mit 66 Jahren“, sagt sie und lacht. Sie hat eine Ausbildung zur Kunsttherapeutin begonnen, „in meinem biblischen Alter“. Beate Heinen strahlt: „Ich habe das Gefühl, mein Leben startet gerade noch einmal neu durch.“