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Traben-Trarbach

Schlag gegen Internetverbrechen: Cyberbunker an Mosel gestürmt

Von Mehr auf

Der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und dem Landeskriminalamt (LKA) ist ein deutschlandweit einzigartiger Schlag gegen das organisierte Internetverbrechen gelungen. Am Donnerstagabend nahmen rund 650 Polizisten sowie Spezialkräfte der GSG 9 in Traben-Trarbach an der Mosel ein Rechenzentrum vom Netz, das in „gigantischem Ausmaß“ illegalen Handel unter anderem mit Drogen und Kinderpornografie ermöglichte.

Lesezeit: 2 Minuten
Ermittlungen dauerten vier Jahre Im Fokus der seit vier Jahren andauernden Ermittlungen steht ein „Bulletproof-Hoster“, also eine IT-Infrastruktur, die Serverdienstleistungen für kriminelle Kunden bot. Deren Handeln sollte mit „höchsten Sicherheitsstandards“ im weltweiten Darknet vor dem Zugriff von Behörden geschützt werden. Das Rechenzentrum wurde als „Cyberbunker“ in einem ehemaligen Bunker der Bundeswehr ...
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Ein Bunker voller dunkler Machenschaften

Traben-Trarbach. Im kommenden Frühjahr soll der neue James-Bond-Film „No Time To Die“ in die Kinos kommen. Es ist fast schade, dass die Arbeiten daran weitgehend abgeschlossen sein dürften. Denn die Bilder, die nun von Ermittlern in Raum 1.49 der Landespolizeischule am Flughafen Hahn gezeigt wurden, wären als Stoff für solch einen Agentenfilm geeignet. Allerdings: Es handelt sich keineswegs um Filmstoff. Dass von einem Bunker in Traben-Trarbach aus zahllose illegale Geschäfte im Darknet – einem speziell verschlüsselten Teil des Internets – unterstützt wurden, ist traurige Realität. Die vorgeworfenen kriminellen Handlungen decken das gesamte Spektrum ab.

Dabei sind Geschehen und Strukturen komplex. Hantiert haben die Kriminellen mit einem sogenannten Bulletproof Hoster – einem Anbieter, der hilft, Daten im Internet zu verschleiern. Er bietet eine Art digitales Versteck für Kriminelle, die unter diesem Schutzmantel nach Belieben agieren können, vom Handel mit Drogen oder kinderpornografischem Material über Datenhehlerei bis hin zum Einsatz von Schadprogrammen oder terroristischen Attacken.

Es ist ausgesprochen schwierig, diesem kriminellen Treiben auf die Schliche zu kommen. Entsprechend müde wirken die Fahnder bei der eilig einberufenen Pressekonferenz am Hahn nach den vergangenen Stunden und Tagen rund um Traben-Trarbach – aber auch froh über den erfolgreichen Schlag gegen das Verbrechen. „Es ist bislang der einzige Fall, bei dem man einen kriminellen Hoster hochgenommen hat“, erläutert Jörg Angerer, Leiter der Landeszentralstelle Cybercrime (LZC) der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz.

„Nach derzeitiger Rechtslage ist das Betreiben eines solchen Rechenzentrums nur strafbar, wenn die Betreiber die illegalen Absichten kennen und auch wollen“, ergänzt Jürgen Brauer, Leiter der Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz. Den Betreibern eines Rechenzentrums dieses „fördernde“ Verhalten nachzuweisen, ist für die Fahnder gerade juristisch eine echte Herausforderung. Entsprechend gilt die „Stürmung“ des Cyberbunkers nicht nur wegen der analogen und digitalen Sicherungen sowie dicker Stahltüren als „Riesenerfolg“.

Das Geschäft im Bunker lief folgendermaßen: Endkunden kaufen im Darknet illegale Ware und bezahlen mit der digitalen Währung Bitcoin. Die Betreiber dieser illegalen Handelsplattformen wiederum zahlen den Betreibern von Servern, auf denen sie ihre Plattformen aufschalten, in Bitcoin diese Dienstleistung. Alles bleibt verborgen. In Traben-Trarbach wurde eben dieses Serverangebot wohl massenhaft genutzt, wie Christian Wollstadt als Dezernatsleiter Cybercrime beim Landeskriminalamt (LKA) beschreibt: „Rund 200 physische Server wurden in den Räumen festgestellt. Wir gehen davon aus, dass vor Ort viele weitere virtualisiert sind.“

Die Bilder, die dazu gezeigt werden, sind eben jene, die an Agentenfilme erinnern: Hinter Bunkertüren steht ein Arsenal topmoderner Rechner. Wie LKA-Vizepräsident Achim Füssel als Einsatzleiter anhand der Bilder zeigt, sind bereits zahlreiche weitere große Serverschränke installiert worden, die mit neuen Hochleistungsrechnern bestückt werden sollten.

Der ehemalige Bunker von Traben-Trarbach war wohl auf nichts anderes ausgelegt als Illegalität. „Nach dem, was wir bislang auswerten konnten, haben wir keine legalen Daten feststellen können“, sagt Angerer. Die Fahnder sind entsprechend dankbar für den Hinweis der Verbandsgemeinde Traben-Trarbach im Jahr 2013, sich das Treiben des aus den Niederlanden stammenden Hauptbeschuldigten genauer anzuschauen. Wie Angerer erläutert, hat der 59-Jährige offensiv damit geworben, seinen Kunden „sichere“ Dienstleistungen zu bieten – geschützt vor Ermittlern. „Er brüstet sich damit.“ Der Niederländer fiel nicht nur durch sein extravagantes Leben auf, sondern auch dadurch, dass er den Cyberbunker für alle Nutzungsformen außer Kinderpornografie und Terrorismus offerierte.

Die Bilder aus der Einsatznacht jedenfalls wirken unheimlich. Sie passen zum düsteren Treiben, das im Bunker ermöglicht wurde.

Von unserem Chefreporter Volker Boch
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