Fischbach. Harma Regina Rieth aus Fischbach erzählt uns ihre Weihnachtsgeschichte: „Hochschwanger und eher unbeweglich mühe ich mich mit den letzten Vorbereitungen für das Weihnachtsfest ab. Unser Sohn Torsten, dreieinhalb Jahre alt, wird in die vorweihnachtlichen Arbeiten einbezogen. Er hilft in seinem kindlichen Übereifer, alle bereits von mir mühsam erledigte Arbeit wieder zu vernichten.
Da meine Bewegungsfreiheit durch den Schwangerschaftsbauch eingeschränkt ist, bleibt einiges liegen. Den Haushalt schaffe ich gerade noch. Doch das Spielzeugwirrwarr auf dem Boden konnte ich noch nicht beseitigen. Zu meiner Entlastung bietet sich mein Mann an, mit Sohnemann eine Stunde spazieren zu gehen.
Schnell nutze ich die Gelegenheit, lasse alle Spielsachen verschwinden. Gerade will ich es mir auf dem Sofa gemütlich machen, kommen Mann und Kind auch schon wieder zurück. Verärgert darüber, dass ich alles Spielzeug weggeräumt habe, stiefelt Torsten missmutig hin und her. Ich erkläre ihm, dass an Heiligabend alles aufgeräumt sein müsse, da das Christkind in so einen Durcheinander keine Geschenke bringen würde.
Da ich noch eine Plätzchensorte backen wollte an diesem Morgen, bietet er sich dann doch noch als kleiner Helfer an. Schnell ist der Teig fürs Spritzgebackene gemacht. Ganz nebenbei und Arglist frage ich: ,Wo warst du denn mit Papa?' Torsten knetet sein kleines Teigklümpchen weiter und antwortet: ,Dat is geheim. So hot de Baba gesaht, dat darf eisch net verore. Ich verrate dir nix, Mama, dat is us Weihnachtsgeheimnis.“
Wir bauen den alten Fleischwolf von Oma Alwine zusammen und drehen den Teig vorsichtig durch. Voller Tatendrang hilft Torsten mit. Nachdem der Teig zunächst in langen glatten Streifen auf zwei Backbleche kam, entscheide ich mich, die nächsten beiden Bleche in Ringform zu belegen. Andächtig schaut Torsten zu. Als die ersten beiden Ringe aus dem Fleischwolf kamen, schaut er sie mit grüblerischem Gesichtsausdruck an. Ich lege sie vorsichtig aufs Blech, und mit leiser Stimme kommentiert Torsten: ,Die sieh'n jo grad so aus wie die Ohrring, die de Baba vorhin im Uhregeschäft fa deisch kaft hot.' Jetzt war's passiert: Das große Geheimnis war raus. Ich lasse ihn weiter den Fleischwolf drehen und ignoriere lächelnd seine letzten Worte.
Zur Bescherung versammeln wir uns alle in Omas Heiligabendstube. Die Geschenke werden übergeben, und natürlich tue ich erstaunt und überrascht, als ich das kleine Schmuckkästchen von Hellwig in Weierbach in den Händen halte. Zum Vorschein kommen zwei große goldene Ohrringe – ähnlich den Kringeln aus Spritzgebackenem. Ich muss schmunzeln.
Am ersten Weihnachtstag sagt mein Mann stolz zu mir: ,Ich hätte nicht gedacht, dass der Kleine das Geheimnis für sich behalten würde. So sind wir Männer: Geheim bleibt geheim, ob große oder kleine Männer – Weihnachtsgeheimnisse werden nicht verraten. Ich ließ ihn in seinem Glauben und verriet den Sohn nicht, der ganz unbewusst das Weihnachtsgeheimnis verraten hatte.“