Die rote Festung Neuwied gibt es nicht mehr. Als sich das Ergebnis für die SPD gestern anbahnte, erinnerte sich Hannelore Gröbühl an ihren ersten Einzug in den Stadtrat: „Das war 1979, und wir hatten 25 Sitze“, seufzte sie. 25 Sitze: absolute Mehrheit. Davon wagen die Sozialdemokraten nicht mehr zu träumen. Nein, man ist nicht einmal mehr auf Augenhöhe mit der CDU.
Sicher, vieles liegt am großen Trend, dem sich die Partei in Neuwied nicht entziehen kann. Aber etliches ist auch hausgemacht. Knapp zwei Jahre nach dem tragischen Tod ihres Oberbürgermeisters und Stadtverbandsvorsitzenden Nikolaus Roth hat die Neuwieder SPD es nicht geschafft, sich in ihrer neuen Rolle zurecht zu finden und sich schlagkräftig aufzustellen. Sie wirkt oft ungeordnet und uneins, teilweise lethargisch, wie in der „Suez-Krise“, in der sie sich entschieden hinter ihren Vize Conrad Lunar hätten stellen müssen. Aber da waren offenbar zu viele Eitelkeiten im Spiel. Über das Vorpreschen des Neulings waren einige so verärgert, dass sie nicht mehr sahen, dass es hier um ein Thema geht, das den Leuten wirklich auf den Nägeln brennt. Die CDU hat in Block trotz miesem Trend leicht zugelegt, die SPD 14 Punkte verloren.
Darüber hinaus war die GroKo ohnehin nicht sonderlich beliebt. Aber wenn, dann war für die Bürger die Union – getreu ihrem Slogan – die treibende Kraft. Das hat die SPD wohl selbst gemerkt, und so kam im Wahlkampfendspurt Aktionismus hinzu. Vor allem in der Causa Selgros war der viel zu leicht zu durchschauen. Aber auch dass die Genossen plötzlich gefühlt auf jedem Spielplatz auftauchten und jedes neue Gerät als Erfolg reklamierten, war eher kontraproduktiv. Wenn die SPD künftig wieder Erfolge feiern will, muss sie sich klare Ziele suchen, sie hörbar benennen und an ihrer Umsetzung fünf Jahre konsequent arbeiten. Immerhin: Die ersten Statements von Sven Lefkowitz und Lana Horstmann nach der „Klatsche“ ließen vermuten, dass sie das verstanden haben.