Berlin

Homo-Ehe: Urteil aus Karlsruhe stürzt Union in die Krise

Das Urteil zur Gleichstellung der Homo-Ehe setzt die Union unter Druck.
Das Urteil zur Gleichstellung der Homo-Ehe setzt die Union unter Druck. Foto: DPA

Am Freitagmorgen hält die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag eine Sondersitzung ab. Es geht um ein für sie heikles Thema. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach homosexuelle Lebenspartnerschaften künftig steuerlich gleichzustellen sind, hat die Tagesordnung der Regierungskoalition erheblich durcheinandergebracht.

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Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann

Dabei mussten eigentlich alle mit dem Urteil rechnen. Doch die Union ist in der Frage der Gleichstellung Homosexueller tief gespalten. Wenige Monate vor der Bundestagswahl fallen ihr klare Worte nun schwerer denn je.

Es besteht durchaus Unmut darüber, dass man die eigene Politik immer wieder von den Karlsruher Richtern korrigieren lassen muss. Seit die Koalition 2009 ihre Arbeit aufgenommen hat, haben die Verfassungsrichter gleich mehrfach die Ungleichbehandlung angemahnt und Änderungen verlangt – die Koalition musste nachbessern. Zuletzt nach einer Entscheidung vom Februar dieses Jahres, mit der das Verfassungsgericht die sogenannte Sukzessivadoption erlaubt: Danach dürfen Homosexuelle in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft bereits vorhandene Adoptivkinder des Partners adoptieren.

Opposition setzt Union unter Druck

Mit dem Richterspruch ist die Union nun erneut im Zugzwang. SPD, Grüne und Linke, die die völlige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe bereits im Bundesrat beschlossen haben, wollen lieber gestern als heute auch im Bundestag über das Thema abstimmen. „Wir wollen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sofort und ohne jede Verzögerung umsetzen“, erklärte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann umgehend. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach von einer „weiteren Ohrfeige mit Ansage für das verstaubte Gesellschaftsbild von Merkels Regierung“.

Auch der kleine Koalitionspartner der Union, die FDP, drängt seit Langem auf die Gleichstellung. „Wir sehen uns bestätigt“, sagt der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende und FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Volker Wissing. „Jetzt steht völlig außer Frage, dass wir die steuerliche Gleichstellung mit unserem Koalitionspartner so schnell wie möglich umsetzen müssen.“ Die FDP ist auch für das Volladoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften. Man müsse anerkennen, dass die Gesellschaft einem Wandel unterliegt, und dem Rechnung tragen, heißt es bei den Liberalen.

Die Union allerdings positioniert sich alles andere als klar: Nach dem Urteil im Februar hatte Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel es kurzzeitig so aussehen lassen, als würde sie Karlsruhe bei der steuerlichen Gleichstellung ausnahmsweise zuvorkommen wollen. Eine Woche lang debattierte die Union, es schien, als zeichne sich eine Mehrheit für die Gleichstellung beim Ehegattensplitting ab.

Doch dann ließ Merkel das Thema wieder in der Versenkung verschwinden. Ihren Generalsekretär Hermann Gröhe ließ sie erklären, man werde nun doch die Entscheidung aus Karlsruhe abwarten. Entscheidungen von Gerichten abzuwarten, ist allerdings keine Position. Dahinter dürfte die Furcht der Parteichefin stehen, Teile der CSU und des konservativen Flügels mit einer erneuten Kehrtwende in der Gesellschaftspolitik zu überrumpeln. Man lässt sich lieber von Karlsruhe die Politik diktieren. Und lässt offen, wie man selbst entschieden hätte. Das frühe Fraktionstreffen macht den Druck, der jetzt auf der CDU lastet, nur allzu deutlich. Die Opposition und auch die FDP werden die Union jetzt weiter mit dem Thema treiben.

Schäuble hält schnelle Umsetzung für möglich

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ließ wissen, dass er eine schnelle Umsetzung des Urteils für möglich hält. Die Entscheidung sei nicht überraschend, noch bis zur nächsten Bundestagswahl eine Gesetzesänderung machbar. Die Ausweitung des Steuervorteils ist bei vielen Unionspolitikern inzwischen unstrittig, auch wenn sich seit Februar niemand öffentlich dafür verkämpfen wollte. „Wir sind verfassungstreu, deshalb ist es die logische Konsequenz, dass dieses Urteil auch umgesetzt wird“, sagte nun auch die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Mit inhaltlichen Kommentierungen hielt man sich von Unionsseite zurück. Angela Merkel könnte darauf hoffen, dass sie bei dem Thema doppelt punktet: bei der gesellschaftlichen Mitte, die die steuerliche Gleichstellung mit großer Mehrheit befürwortet, weil sie das Gesetz ja nun umsetzt. Und bei den Konservativen, weil diese immer noch vermuten können, dass Merkel in ihrer Grundüberzeugung an einer Privilegierung der Ehe zwischen Frau und Mann festhält.

Die Deutsche Bischofskonferenz war wenig begeistert. „Die katholische Kirche lehnt die Gleichbehandlung von Ehe und eingetragenen Lebenspartnerschaften ab“, heißt es unmissverständlich in einer Erklärung des Vorsitzenden, Erzbischof Robert Zollitzsch. Eine „unterschiedliche Behandlung von eingetragenen Partnerschaften und der Ehe stelle kein Diskriminierung dar, „sondern betont den Wert, den die Ehe für die Gesellschaft hat“. Ein nicht unwesentlicher Teil der Stammwählerschaft der Union dürfte sehr genau beobachten, wie die Partei sich jetzt verhält.