Rheinland-Pfalz

Für Binnenschiffer wird es knapp unter dem Kiel

Der Wasserstand des Rheins ist auf das niedrigste Mai-Niveau seit 100  Jahren gesunken. Bald könnte der Tiefstand von 2003 erreicht sein.
Der Wasserstand des Rheins ist auf das niedrigste Mai-Niveau seit 100 Jahren gesunken. Bald könnte der Tiefstand von 2003 erreicht sein. Foto: dpa

Nicht nur die Landwirte schauen mit Sorgenfalten gen Himmel. Die seit Wochen anhaltende Trockenheit wird auch für die Binnenschiffer zunehmend zum wirtschaftlichen Problem. Denn die „Luft nach unten“ wird angesichts kontinuierlich sinkender Wasserstände an Rhein und Mosel immer dünner.

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Rheinland-Pfalz. Nicht nur die Landwirte schauen mit Sorgenfalten gen Himmel. Die seit Wochen anhaltende Trockenheit wird auch für die Binnenschiffer zunehmend zum wirtschaftlichen Problem. Denn die „Luft nach unten“ wird angesichts kontinuierlich sinkender Wasserstände an Rhein und Mosel immer dünner.

Bei einem Pegelstand von derzeit 74 Zentimetern in Koblenz, 91 Zentimetern in Bingen, 164 in Mainz und 72 in Kaub heißt es für viele Rheinschiffer: runter mit der Ladung. Denn in Koblenz etwa ist nur noch ein Tiefgang von 2,04 Metern möglich, an der sensiblen Stelle Kaub gar nur 1,82 Meter.

Der Anleger der Köln-Düsseldorfer in Rhens führt derzeit ins Leere. Der Rhein hat zu wenig Wasser, Ausflugs- und Linienschiffe können dort nicht anlegen.

Angela Kauer

...Feingefühl ist derzeit am Mittelrhein gefragt. Besonders in der sogenannten Gebirgsstrecke an der Loreley schauen beim derzeitigen Wasserstand die Felsen vermehrt aus dem Wasser...

S. Breitbach

...auch diese Sandbank vor Oberwesel hat sich in den vergangenen, trockenen Tagen deutlich vergrößert...

S. Breitbach

...ein ungewohntes Niedrigwasser gibt es im Rhein bei Oberwesel in Höhe der „Sieben Jungfrauen“...

S. Breitbach

...bei Niedrigwasser ragen die schroffen Felsen gegenüber der Loreley aus dem Wasser heraus, im Hintergrund der St. Goarer Stadtteil „An der Loreley“...

S. Breitbach

...auch in Speyer wird die Fahrrinne äußerst schmal...

dpa

...da gehen lieber die Hunde in den Rhein...

dpa

...ist das St. Tropez? Nein, das Düsseldorfer Rheinufer bietet dieser Tage die Gelegenheit für einen ausgedehntes Strand-Sonnenbad....

dpa

Martin Mauermann, Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes in Bingen, schätzt, dass die Mehrzahl der großen Kähne mit einem Tiefgang von 3,50 bis zu 4 Metern derzeit nur noch mit 50 bis 60 Prozent der üblichen Fracht und deutlich langsamer zwischen Kaub und Köln unterwegs ist. Dies bedeutet aber, dass die Binnenschiffer die Häfen häufiger anfahren müssen. „Daher sind mehr und auch viele kleine Schiffe mit geringerem Tiefgang auf dem Rhein unterwegs“, sagt Mauermann.

Ford spürt Auswirkungen

Beim Autobauer Ford in Köln macht sich dies bereits bemerkbar: „Wenn der Pegelstand weiter fällt, können unsere Autoschiffe nicht mehr voll beladen werden. Dann greifen unsere Notfallpläne, und wir müssen mehr Neuwagen über Straßen und Schienen transportieren“, sagt Sprecher Bernd Meier. Rund ein Drittel der in Köln produzierten Autos werden via Rhein transportiert. „Bisher läuft alles normal, wir haben noch etwa 20 Zentimeter Luft“, sagt der Sprecher.

Beim Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) sieht man die Lage noch recht entspannt. Zwar habe es seit sieben bis acht Wochen kaum geregnet. Doch viele Kunden der Binnenschiffer haben längst ihre Lager aufgestockt, sagte BDB-Geschäftsführer Jörg Rusche unserer Zeitung. „Wir erwarten keine Wiederholung des Tiefstands von 2003.“ Damals gab es eine anhaltende Trockenheit von Ostern bis September. In Kaub sank der Pegelstand auf nur 35 Zentimeter. Noch helfen den Binnenschiffern laut Rusche die Kleinwasserzuschläge, die sie mit ihren Kunden ausgehandelt haben, um die wirtschaftlichen Nachteile des Niedrigwassers auszugleichen. Und Rusche ist angesichts der Wetterprognosen überzeugt: „Der Wasserstand wird gleich bleiben.“

Schon das Wochenende könnte Entspannung bringen

Das sieht man bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion in Mainz ähnlich. Voraussetzung: Am Wochenende gibt es, wie prognostiziert, einen ergiebigen Regen. Am Rhein könnten die Wasserstände dann endlich wieder ein wenig steigen. An der Mosel zwischen Trier und Koblenz, wo es angesichts vieler Staustufen nicht so große Probleme mit dem Niedrigwasser gibt, blieben die Pegelstände in etwa wie jetzt: in Trier bei 2,25 Metern, in Zeltingen bei 2,36, in Cochem bei 2,24 Metern.

Allerdings geht der langfristige Trend derzeit in eine andere Richtung, sagt Amtsleiter Mauermann: Seit April ist der Wasserstand nahezu kontinuierlich täglich um durchschnittlich drei bis fünf Zentimeter zurückgegangen. Immer wieder habe es auch einen leichten Anstieg gegeben, wie er jetzt fürs Wochenende erwartet wird. Sollte sich der Rückgang aber fortsetzen, dann ist schon in zwei Wochen der Tiefstand des Katastrophenjahres 2003 erreicht. Auch wenn Mauermann dies nicht beschwören will – für ihn steht fest: „Das aktuelle Niedrigwasser ist zu dieser Jahreszeit eher ungewöhnlich. Das Polster für dieses Jahr ist weg.“ Grund sei nicht nur der hochsommerliche Frühling, sondern auch fehlender Schnee in den ersten Monaten des Jahres. Die Schneeschmelze sei so ausgeblieben.

Risiko von Havarien derzeit gering

Sollte sich der Rhein tatsächlich so stark in sein Bett zurückziehen wie 2003, dann dürfte dies für die Binnenschiffer ähnlich katastrophale Auswirkungen haben wie die Havarie der „Waldhof“ und die wochenlange Sperrung des Rheins. Das Risiko von Havarien hält Mauermann – derzeit – übrigens noch für gering. „Die Binnenschiffer nehmen sehr viel Rücksicht aufeinander.“ Einschränkungen für die Schifffahrt wird es auch bei einem neuen historischen Tiefstand nicht geben. Eigenverantwortung ist des Binnenschiffers Pflicht. Und Regen seine Hoffnung.

Von unserem Redakteur Christian Kunst