Analyse: Pegida betreibt Hetze mit Kalkül

Pegida-Demonstration in Dresden. 
Pegida-Demonstration in Dresden.  Foto: dpa

An Beleidigungen fehlt es eigentlich nie montagabends in Dresden. Der Goebbels-Vergleich, mit dem Lutz Bachmann nun einmal mehr für Empörung gesorgt hat, nimmt sich sogar vergleichsweise harmlos aus. Zumindest auf der Skala der Abscheulichkeiten, die bei Pegida allwöchentlich mit Hass- und Hetzreden erweitert wird. Und er wird folgenlos bleiben für den Pegida-Chef, der bereits wegen Volksverhetzung angeklagt ist. Das wird der 42-Jährige auch erwartet haben, als er Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vor Tausenden Pegida-Bewegten als „schlimmsten geistigen Brandstifter“ seit dem Nazi-Chefpropagandisten Joseph Goebbels bezeichnete hat. Ein wohl kalkulierter Tabubruch.

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Über Monate zumindest medial fast in der Versenkung verschwunden, feiern die selbst ernannten Patrioten mit der Flüchtlingskrise ein Jahr nach Gründung der fremdenfeindlichen Bewegung ein Comeback in der bundesweiten Wahrnehmung. Schlagzeilen über für Regierungsmitglieder reservierte Galgenstricke, provokante KZ-Reden entgleister Rechtspopulisten oder eben der Vergleich Maas' mit Hitlers Propagandachef helfen dabei.

Extremismusexperte hält Bachmann für absolut radikal

Für den Berliner Extremismusforscher Hajo Funke passt das ins Bild, das er von Bachmann hat. „Ich halte ihn für absolut radikal, von Anfang an“, sagt er und erinnert an die Facebook-Postings, in denen Bachmann Ausländer als „Viehzeug“, „Gelumpe“ und „Dreckspack“ bezeichnete und die nun der Dresdner Staatsanwaltschaft als Grundlage der Anklage wegen Volksverhetzung dienen. Die fremdenfeindlichen Gewalttaten haben in Sachsen stark zugenommen. Kaum ein Tag ohne Angriff auf Flüchtlinge, ihre Unterkünfte oder Helfer, die Schutzsuchenden ein Willkommen bieten wollen. „Dies ist mitverursacht durch eine aufhetzende Bewegung, durch eine Bewegung von Hass, Hetze und potenzieller Gewalt“, sagt Funke.

Und dabei ist Bachmann nicht allein. Auf der Rednerbühne fast immer mit dabei: Tatjana Festerling. Für die Hamburger Ex-AfD-Frau ist eine multikulturelle Gesellschaft Verrat am eigenen Volk. Die 51-Jährige hetzt gegen „Fremde in unserem Land, die auf Feldbetten herumgammeln, die randalieren, die Wettbewerbe im Stühlewerfen aufführen – sogar mit den Bildern ihrer Fäkalien werden wir belästigt“. Schuld daran ist ihrer Ansicht nach Angela Merkel, die aus „Deutschland ein riesiges Dschungelcamp“ gemacht habe.

Festerling bezeichnet die Regierungschefin als ein „verantwortungslos daherquatschendes Weib“, das ihr Land geradewegs in einen Bürgerkrieg führe. Sie spricht der „kinderlosen Frau mit den herabhängenden Lefzen“ jede Fürsorglichkeit ab. „Diese Frau hat nie die Erfahrung gemacht, wie es ist, sich fürsorglich um seine Familie, sein Rudel, sein Volk zu kümmern.“ Und die Menge johlt bei solchen Beleidigungen. Für gewöhnlich hallen dann „Merkel muss weg“-Rufe durch die barocke Dresdner Altstadt. Oder „Volksverräter“. Oder „Widerstand“. Und jetzt auch immer häufiger „Abschieben“. Früher wurde das von der aufgepeitschten Menge für Flüchtlinge benutzt, jetzt für die Bundeskanzlerin.

„Es hat sich, wie es ein Kollege in Dresden gesagt hat, ein Hass-Feierritual entwickelt. Und das ist für eine Demokratie und die Anerkennung der anderen in ihrer Verschiedenheit sehr schlimm“, sagt Funke. „Also muss man auch entschieden gegenhalten.“

Maas will nicht gegen Goebbels-Vergleich vorgehen

Maas hält gegen. Und der Bundesjustizminister nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und wirft den Dresdner Fremdenfeinden vor, mit ihrer Hetze den Boden für Taten wie den Mordanschlag auf Kölns Oberbürgermeisterkandidatin bereitet zu haben. Gegen Bachmann will er wegen des Goebbels-Vergleichs aber nicht vorgehen. Ein kluger Entschluss, meinen Beobachter, da die Aussicht auf einen juristischen Erfolg fraglich ist. Als Straftatbestand kommt für die Staatsanwaltschaft Beleidigung in Betracht. Das ist aber kein Offizialdelikt und mithin anzeigepflichtig – und wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter. „Wenn keine Anzeige erstattet wird, werden wir das Verfahren einstellen“, räumt Oberstaatsanwalt Lorenz Haase ein.

Für Sachsens Grünen-Chef Jürgen Kasek steht außer Frage, dass bei Pegida-Kundgebungen Volksverhetzung betrieben wird. Den Goebbels-Vergleich dürfe man aber nicht überbewerten, meint der Jurist. „Ich möchte Bachmann ungern stilisieren.“ Der Pegida-Chef solle sich nicht als Märtyrer aufspielen dürfen: „Bachmann ist ein Täter, kein Opfer.“

Martin Fischer