Koblenz

Wenn’s brennt, ist schnell Hilfe da

Seit 100 Jahren gibt es in Koblenz die Berufsfeuerwehr. Alles läuft wie eine gut geölte Maschine.

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Es ist 10.30 Uhr. „Unbekannte Rauchentwicklung! Alarm für Löschzug!“, tönt es aus den Lautsprechern in jeden Winkel der Feuerwache. Und aus allen Ecken stürmen die zuständigen Einsatzkräfte auf die rot gerahmten Türen zu und rutschen die Stange herunter. „In gut einer Minute sind wir raus“, sagt Norbert Gras, Pressesprecher der Koblenzer Feuerwehr. Pressesprecher ist er nur nebenbei. Denn an diesem Einsatztag hat er vor allem die Aufgabe, im Fall einer Alarmierung innerhalb von einer Minute im Löschzug zu sitzen.

In amerikanischen Filmen sitzen die Feuerwehrleute im Unterhemd herum, spielen Karten und warten auf einen Einsatz. Das hat mit der Realität in Koblenz nichts zu tun. Denn alle die, die jetzt um 10.30 Uhr losrennen, machen vorher und nachher einen anderen Job. Sie arbeiten in der Kfz-Werkstatt oder waschen Schläuche, sie prüfen die Feuerlöscher aus den städtischen Gebäuden oder bereiten Ausbildungen für Ersthelfer vor. Hier wartet niemand auf den Einsatz. Außer in der Nacht: Da liegen die Wehrleute auf ihren Klappbetten und versuchen ein bisschen zu ruhen.

Gebäudepläne erleichtern Hilfe

Johannes Scheid sitzt im Büro des Wachhabenden. Hier laufen die Planungen zusammen. Zum Beispiel bei dem aktuellen Alarm. Der Einsatzleitwagen wird vorweggeschickt, die beiden Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeuge (HLF) und den Wagen mit der Drehleiter im Schlepptau. Alle die, die auf den vier Fahrzeugen sitzen, müssen auf dem aktuellen Tages-Tableau auf ihren anderen Positionen ersetzt werden, denn sie sind ja jetzt raus. Norbert Gras zum Beispiel ist an diesem Tag auch auf einem Taucherfahrzeug eingeteilt. Das muss – wenn es wirklich zu einem gleichzeitigen Einsatz käme – dann jemand anderes machen. Johannes Scheid schiebt auf dem Einsatzplan ein anderes Kürzel an diese Stelle.

Ein hohes Regal an einer Seite des Büros ist gefüllt mit roten Ordnern. Jeder beinhaltet Informationen zu allen 160 Brandmeldeanlagen in Koblenz, die regelmäßig aktualisiert werden. Alle Kliniken sind dabei, die Seniorenheime, große Industrieanlagen und Einkaufsmärkte – Schemazeichnungen zeigen die Räumlichkeiten, damit die Feuerwehrleute sich möglichst schnell zurechtfinden. Denn im Notfall zählt jede Sekunde.

So auch jetzt bei dieser Alarmierung. Bruno Herter lässt die Schläuche Schläuche sein und läuft zum Wagen. Erst später wird er wieder in die Werkstatt zurückkehren. Hier unten werden alle 4000 Schläuche der Freiwilligen und der Berufsfeuerwehr mindestens einmal im Jahr, auf jeden Fall aber nach jedem Einsatz, gewaschen und kontrolliert.

Jede Wache hat einen Turm

Aufgerollt liegen sie in dem langen im Boden eingelassenen Becken, werden gesäubert und mit 16 Bar aufgepumpt. Dabei wird jede Schwachstelle gesehen. Dann hängen die Schläuche im etwa 36 Meter hohen Turm zum Trocknen – 400 Stück passen hier auf einmal hin und brauchen vier Tage zum Trocknen. Das ist der Grund, warum jede Feuerwache einen Turm hat.

Schläuche und die entsprechenden Rohre gibt es in verschiedenen Dicken, die mit Buchstaben bezeichnet werden. Am gebräuchlichsten sind die B-, C- und D-Druckschläuche. Ein 20 Meter langer B-Schlauch beinhaltet zum Beispiel rund 80 Liter Wasser. „Die Faustregel ist: Soviel Wasser wie nötig, so wenig wie möglich“, sagt Bruno Herter. Denn nicht nur ein Feuer, auch das Löschwasser richtet zum Beispiel in Wohnhäusern Schaden an. Schläuche, Leitern, Sprungpolster lagern hier unten – „Da muss alles tipptopp sein“, sagt der Chef der acht Mann starken Abteilung Schlauchwerkstatt und Geräteprüfung. „Wir müssen uns blind aufeinander verlassen können. Und auch auf das Material.“ Denn das kann im Zweifelsfall lebensrettend sein.

Das gilt auch für die rund 1200 Feuerlöscher in den städtischen Gebäuden, die mindestens alle zwei Jahre kontrolliert werden. Hermann Günther hat gerade einen Schwung aus dem Bürgerbüro auf dem Tisch. Die Feuerlöscher werden geöffnet, leergesaugt, das Pulver gefiltert und gewogen, ob auch sechs Kilo drin sind, die Druckpatrone kontrolliert. Denn was nutzt der beste Feuerlöscher, wenn er klemmt?

Autos müssen dreimal im Jahr zum TÜV

In der Kfz-Werkstatt auf dem Hof werden alle Autos von den Mitarbeitern selbst gewartet. Dreimal im Jahr müssen die Feuerwehrautos zum TÜV. 28 Fahrzeuge hat die Berufsfeuerwehr, und auch die rund 30 Fahrzeuge der Freiwilligen Wehren werden in der Werkstatt in der Schlachthofstraße mitgewartet.

Die Liste der Fahrzeuge ist lang und bringt viele große und kleine Jungs zum Schwärmen. Da gibt es die Einsatzleitwagen, in denen die Einsätze koordiniert werden können, die Fahrzeuge mit Drehleitern, die „normalen“ Hilfeleistungsgruppenfahrzeuge oder Wechselladerfahrzeuge (WLF), die dem Transport von in austauschbaren Abrollbehältern verpackten Einsatzmitteln dienen. „Wir haben die meisten Sachen in Containern“, sagt Mechaniker Norbert Hartmann. „Je nachdem, zu welchem Einsatz wir fahren, zum Hochwasserschutz oder zum Gefahrgut- oder Strahlenabwehreinsatz, beladen wir die Fahrzeuge.“ Das geht Hand in Hand und ruckzuck.

Auch die Steck- und Schiebeleitern sind tragbar und auf den Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeugen verladen. Nur die Drehleiter, die eine Rettungshöhe von 23 Metern hat, ist fest auf einem Fahrgestell installiert. Manche Fahrzeuge sind übrigens schon recht alt. Aber ein Ersatz ist immer schwierig, denn es fehlt – wie überall bei der Stadt – an Geld.

Wache ist heute Sorgenkind

So ist auch die Wache, die vor 38 Jahren das Nonplusultra schien, längst zum Sorgenkind der Berufsfeuerwehr geworden. Der Komplex ist stark sanierungsbedürftig, sagt Feuerwehrchef Wolfgang Schröder. Ein Konzept der Feuerwehrführung sieht vor, den Seitenflügel um eine Sport- und Gymnastikhalle zu erweitern und das Gebäude grundlegend zu modernisieren. Geschätzte Kosten: 12 Millionen Euro. Derzeit laufen Gespräche mit Stadt und Land, sagt Schröder. Zumindest den Beginn der Arbeiten würde er gerne noch erleben, bevor er 2016 in den Ruhestand geht.

Durch die besondere Lage an gleich zwei Flüssen spielen die Taucher bei der Koblenzer Feuerwehr übrigens eine wichtige Rolle. 28 Mann umfasst die Tauchgruppe, mindestens vier von ihnen sind pro Wachabteilung anwesend. Wenn es zum Einsatz geht, sind die Tauchgeräte in die Sitze integriert, sodass sie sie während der Fahrt anziehen können. Dadurch wird wieder wertvolle Zeit gewonnen.

Taucher zu sein ist übrigens noch einmal eine stärkere Belastung, sagt Norbert Gras nachdenklich. Denn während bei den normalen Feuerlöschungen immer im Trupp gearbeitet wird, ist der Taucher ganz auf sich allein gestellt., wenn er im dunklen Wasser nach einem Verunglückten sucht. Die Zeit drängt, und jede Entscheidung nach rechts oder links zu gehen kann richtig oder falsch sein. Und die früheren Erlebnisse sind immer dabei: „Wenn man mal ein Kind nur noch tot bergen konnte, dann wird man unter Wasser immer wieder daran denken“, sagt Gras. „Für viele Feuerwehrtaucher ist ihr erster Einsatz als Taucher auch ihr letzter. Manche verkraften das einfach nicht.“

Alte Einsatzbücher sind ein Schatz

Als die Sirene um 10.30 Uhr schrillt, sitzt Oliver Peikert an seinem Schreibtisch und holt Angebote für ein neues Fahrzeug ein. Auch der Abteilungsleiter der größten Abteilung Technik springt auf und rennt zum Wagen, genau wie Rüdiger Alke, Leiter der Ausbildungsabteilung, der unten im Archivraum ist und jetzt im Vorfeld der 100-Jahr-Feier ein gefragter Mann ist. Viele alte Einsatzbücher ganz aus den Anfängen hütet er hier wie einen Schatz. „Früher waren die Leute achtsamer“, ist sein Urteil. „Heute zahlt die Versicherung.“

Sebastian Bell arbeitet gerade an einer Präsentation zum „Traumberuf Feuerwehrmann“, als der Alarm ihn ruft. Er und seine Kollegen machen ihre Arbeit, die viel mehr ist als ein Job, gerne. Zwar ist der Schichtdienst belastend, aber er bietet auch viele Freiräume, sagt Norbert Gras. Und die Arbeit ist jeden Tag anders – wer Abwechslung liebt, ist hier richtig.

Meik Maxeiner hat den Vorbeugenden Brandschutz unter sich. Seine Abteilung muss bei Bauvorhaben Stellungnahmen zu Rettungswegen und Löschwasserversorgung abgeben, im Jahr rund 350 Brandsicherheitswachen koordinieren, die zum Beispiel im Stadion oder im Theater nötig sind, etwa 400 Baugenehmigungsverfahren auf den Brandschutz hin prüfen. Alles, was der Prävention dient, ist gut. Aber jetzt, um 10.30 Uhr, bei der Alarmierung, ist es für Prävention zu spät.

Um 10.31 Uhr sitzt die komplette 16-köpfige Mannschaft an Bord der vier Einsatzfahrzeuge. Die Ampeln vor der Feuerwache in der Schlachthofstraße werden für die Autofahrer automatisch auf rot gedrückt, die Tore in der Feuerwache hochgefahren. Die Fahrzeuge rasen Richtung Einsatzort. Die Männer ziehen schon während der Fahrt die Atemschutzgeräte an. Doch zum Glück erweist sich der Brand als nicht besonders dramatisch. Eine Pfanne ist auf einem heißen Herd stehen geblieben, während sich der Mieter hingelegt hat, um ein Nickerchen zu machen. Zwar steht der Herd nun in Flammen, aber der Mann ist früh genug wach geworden und hat selbst die Feuerwehr alarmiert. Im Haus ist auch sonst niemand, sodass zumindest keine Personen gefährdet sind.

Tanks fassen 2000 Liter

Trotzdem arbeiten die Wehrleute zügig. Der Einsatzleiter geht mit einem Melder in die Wohnung und erkundet die Situation. Der kleine Brand kann in diesem Fall sogar mit der tragbaren Kübelspritze gelöscht werden, sonst hätten die Wehrleute mit einem C-Rohr gelöscht. Das Wasser kommt aus den Tanks auf den Fahrzeugen, die jeweils 2000 Liter fassen. Nur bei größeren Bränden wie jüngst an der Goetheschule wird Wasser aus einem Hydranten entnommen. Danach entrauchen die Feuerwehrleute die Wohnung mit riesengroßen Lüftern.

Etwa eine Stunde später kehren die Wagen zurück in die Feuerwache. Diesmal ohne Blaulicht. Der Diensthabende Johannes Scheid kann auf seinem Einsatztableau wieder die Namen hin- und herschieben. Es sind wieder alle an Bord und bereit für den neuen Einsatz.

Von unserer Redakteurin Doris Schneider