Koblenz

Christoph Krause berät Betriebe beim Thema Digitalisierung: „Wir müssen vom Wollen ins Machen kommen“

Christoph Krause, Diplom-Designer, Schnellredner und Digitalstratege.
Christoph Krause, Diplom-Designer, Schnellredner und Digitalstratege. Foto: Sascha Ditscher

Digitalisierung ist nicht erst seit Corona ein Thema. In unserem Alltag sind wir längst vielfach vernetzt. Aber was bedeutet das konkret? Und wo stehen wir im nördlichen Rheinland-Pfalz? Darüber haben wir mit Christoph Krause gesprochen. Krause leitet das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk in Koblenz, das seit Kurzem Mittelstand-Digital-Zentrum Handwerkheißt. Er berät seit zehn Jahren Handwerksunternehmen bei der Einführung und Umsetzung digitaler Lösungen.

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Der Diplom-Designer, Schnellredner und Digitalstratege zeigt Betrieben, wie die digitale Transformation gelingt – von der Planung über die Produktion bis hin zur Kommunikation mit Kunden. Er sagt: Für die Digitalisierung braucht es mehr als Technik – und das Handwerk kann da durchaus Vorbild sein:

Alle reden von Digitalisierung, und irgendwie ist alles digital. Aber was meinen Sie, wenn Sie von Digitalisierung sprechen?

Da fällt mir als Erstes ein, dass Deutsch eine der wenigen Sprachen ist, die nur einen Begriff dafür hat. Viele andere Sprachen haben zwei Begriffe oder mehr für das, was Digitalisierung ausmacht. Da ist zum einen die Digitalisierung von analoger Prozesse in unserem gesamten Umfeld. Darin sind wir gar nicht schlecht. Ein nicht digitales Handwerk gibt es eigentlich nicht mehr, weil inzwischen viele Betriebe ihre Prozesse digitalisiert haben. Also solche Dinge wie Angebote rauszuschicken, Buchhaltung, Rechnungsprüfung. Dafür gibt es digitale Werkzeuge. Da gibt es dann manchmal Probleme, weil die Tools nicht richtig ineinandergreifen oder es zu viele sind oder sie die Prozesse letztlich doch nicht vereinfachen. Aber im Prinzip führe ich sie ein und fertig. Für die zweite Entwicklung gibt es im Deutschen keinen richtig guten Begriff.

Ich beschreibe es mal als digitale Transformation. Damit meine ich, dass ich als Unternehmen meine Kultur, meine Sprache, meine Abläufe, mein Geschäftsmodell ändere, um in digitalen Marktplätzen neu Fuß zu fassen. Das Internet der Dinge bietet da gerade dem Handwerk wahnsinnig viele Möglichkeiten.

Das müssen Sie erklären. Was bedeutet Internet der Dinge?

Wir sind gerade auf dem Weg, dass die Dinge unseres Alltages sich mit dem Internet verbinden oder das schon getan haben. Sie werden intelligent. Das wird unser Leben immer mehr vereinfachen. Dieses Zusammenspiel von echten Produkten und Daten.

Ob Auto, Haus oder Arbeitsplatz – schon jetzt gibt es viele Bauteile, die über ihre Sensoren Daten aufzeichnen, auswerten und uns daraus Services anbieten. Nehmen Sie zum Beispiel die Klimaanlage in diesem Raum (zeigt nach oben). Da ist ein Filter drin, der wurde über Jahre nicht gewechselt. Weil das Ding noch keinen digitalen Sensor hat. Hätte es einen Sensor, der Parameter misst wie Luftqualität bezogen auf die Raumgröße, Umgebungstemperatur, Anzahl der Menschen, die regelmäßig im Raum sind, dann könnte es mir eine Nachricht schicken: Hier, pass auf, in vier Wochen ist der Luftfilter dran. Dann hätte ich sogar noch Zeit, jemanden zu beauftragen, den Filter zu wechseln.

Die Entwicklungen im Internet der Dinge werden die Wertschöpfungsketten gerade des Handwerks enorm verändern. Die Heizungsanlage, die selbstständig einen Monteur beauftragt, die Dachrinne, die ihre Reinigung prognostiziert, der Tisch, der dem Kunden geeignete Pflegeprodukte vorschlägt – es gibt längst unzählige Anwendungsfälle. Hinzu kommt: Wenn sich zum Beispiel ein Tischler aus seinem Holz alle wichtigen Daten zur Holzfeuchtigkeit, der Temperatur oder der Luftfeuchtigkeit direkt auf seinem mobilen Gerät anzeigen lassen kann, spart er enorm Zeit. Die kann er dann wieder aufs eigentliche Handwerk verwenden.

Damit es zur Anwendung kommt, müssen aber auch die Voraussetzungen gegeben sein. Also auch ganz praktisch: Wo kein Internet, da kein Internet der Dinge, oder? Wie wichtig sind denn zum Beispiel Glasfaseranschlüsse?

Was die digitale Infrastruktur angeht, denken wir in Deutschland für meinen Geschmack immer einen Schritt zu langsam. Wir reden jetzt über Glasfaser. Dabei sind andere längst in der Luft. Elon Musk schickt Satelliten ins All und baut ein weltumspannendes Netz auf. Und das ist auch richtig. Wo wir noch von Kabeln in der Erde reden, sind andere längst weitergefahren.

Viel wichtiger ist aber, was in den Köpfen der Menschen passiert. Da sind wir dann beim Thema Bildung. Damit meine ich nicht mal nur Schulbildung, wobei ich auch da finde, wir heben zu wenig auf digitale Prozesse ab. Nein, ich rede von Entscheidungsträgern. Wir müssen die Digitalisierung in die Welt bringen, um so das Wissen breiter, tiefer in die Gesellschaftsschichten zu bringen.

Und um zurück zum Handwerk zu kommen: Wir brauchen feste Lernzeiten, in denen sich Mitarbeiter in konkrete Themen einarbeiten können. Nur wer auch seine digitalen Werkzeuge perfekt beherrscht, wird in der Lage sein, kreative Lösungen für seine Kunden anzubieten. Letztlich riskiert jeder, der sich vor der Digitalisierung verschließt, sich seine Zukunft zu verbauen und sogar bankrottzugehen. Ich kenne aber auch ehrlich gesagt kein Unternehmen mehr, dass sich dem komplett verweigert.

Hat da die Pandemie – ebenso wie in anderen Branchen – auch im Handwerk für einen Schub gesorgt? Wo steht die Region in Sachen Digitalisierung?

Ja, die Pandemie hat die digitale Transformation im Handwerk noch einmal deutlich beschleunigt. Vor allem die schnelle Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle und digitaler Kommunikationslösungen war unglaublich gefragt. Hier wurde deutlich, wer schon seine Hausaufgaben gemacht hat und wer noch am Anfang steht. Corona hat hier manche vorhandene Lücke aufgedeckt und schnell beseitigt. Jetzt heißt es, diesen Prozess nachhaltig zu verstetigen und den Schwung für die Zukunft im Handwerk zu nutzen.

Am Ende geht es darum, den Unternehmenswert durch Digitalisierung zu erhalten, wenn nicht sogar zu steigern. Ein Unternehmer will ja zum Beispiel den Betrieb seinen Kindern weitergeben. Wer jetzt nicht seine Hausaufgaben macht und die Digitalisierung an Platz eins setzt, verschenkt Möglichkeiten.

Aber Handwerk hat immer auch was mit Tradition zu tun, mit Fachwissen, manchmal kommt sicher auch der Spruch, Spruch: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Können Sie Beispiele nennen, die den Sprung in die digitale Welt gewagt und gewonnen haben?

Nicht nur eins. Aber ich nenne mal Kolorat aus Rhens. Das ist eigentlich ein traditionaler Malerbetrieb, 17 Angestellte, gut ausgelastet. Monja Weber und Sebastian Alt führen den Betrieb in siebter Generation. Und die beiden haben sich hingesetzt, schon weit vor Corona, und haben überlegt: Wäre es nicht schlau, zu diesem traditionellen Geschäftsmodell des Handwerks auch ein digitales Geschäftsmodell zu haben? Dieses digitale Geschäftsmodell war damals relativ einfach: Sie haben ihre Mischmaschine ans Internet gehängt. Das heißt, Kolorat kann für Kunden individuelle Farben mischen. Tja, und jetzt, in der Pandemie, als die meisten Leute zu Hause saßen und ihre weißen Wände angestarrt haben, da ist das digitale Geschäft natürlich explodiert. Die Kunden bestellen aus Berlin und sonst wo her. Das erste, das traditionelle Geschäftsmodell funktioniert noch gut, aber das zweite eben auch. Und genau das ist die Denkweise, die wir brauchen. Es gibt noch weitere gute Ideen, die in die Richtung gehen. Materialrest24 zum Beispiel, eine preisgekrönte Plattform, die ein Dachdecker hochgezogen hat, damit Handwerker Baureste handeln können.

Letztlich ist diese Unabhängigkeit vom Ort doch auch eine Riesenchance für ländlich geprägte Regionen wie unsere.

Absolut. Denn solche Ideen aus der Region heraus zu entwickeln, geht heute. Es ist einfach, aus der Eifel oder vom Mittelrhein so ein Ding hochfahren. Sie brauchen da keine große Entwicklungsabteilung mehr. Sie klappen Ihren Rechner hoch, und los geht’s. Große Entfernungen sind kein Thema mehr. Man kann alles miteinander abstimmen, egal,von wo. Wir müssen nur vom Wollen ins Machen kommen. Das müssen wir vermitteln. Dann haben wir auch eine Chance in der digitalen Transformation. Das Handwerk kann da Vorbild sein.