Boston

Wie Sensationslust einen Äthopier zum Boston-Attentäter macht

Wie ein junger Afrikaner zum mutmaßlichen Attentäter erklärt wurde.
Wie ein junger Afrikaner zum mutmaßlichen Attentäter erklärt wurde. Foto: Screenshots

„Tut mir leid, dass Du als Terrorist verdächtigt worden bist“, schreibt ihm schließlich jemand. Ein offenbar in Äthiopien lebender junger Mann war zwei Stunden lang im Netz der erschossene mutmaßliche Attentäter von Boston – und kaum jemand wunderte sich, wie ein Farbiger zum Fahndungsfoto passt.

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Von unserem Redakteur Lars Wienand

Der Polizeifunk meldet am Freitagmorgen deutscher Zeit zwei Namen. Sie sind noch nicht richtig ausgesprochen, da finden sie sich auch auf Twitter.

Zu einem Namen finden Nutzer umgehend einen Twitteraccont. Der ist im Folgenden ebenso unkenntlich gemacht wie die Namen der Nutzer, die dazu getwittert haben.

Doch auch Medien beteiligen sich schnell daran. Noch am Freitagabend war dieser Artikel der „Kleinen Zeitung“ aus Österreich weiterhin ohne Verpixelung und Richtigstellung erreichbar.


Schnell taucht dann auch der Link zu einer Facebookseite auf – mit einem identischen Foto eines jungen Mannes. Es passieren die gleichen Dinge wie nach dem Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown, als ein junger Mann plötzlich im TV sein Bild sah und hörte, dass er seine Mutter, Kinder und Erwachsene und sich selbst erschossen hat.

Der junge Mann, dem die Seite gehört, gibt als Ausbildung eine Schule in Addis Abeba in Äthipien an. Es finden sich überwiegend Freunde, bei denen Orte in Äthiopien im Profil stehen. Er ist dunkelhäutig, er hat so überhaupt keine Ähnlichkeit mit den Männern, nach denen das FBI mit Fotos fahndet. Das entsprechend zu hinterfragen bleibt auf der Strecke. Accounts in aller Welt stürzen sich auf den Twitteraccount – und was er getwittert hat.


So hat ein Tweet aus einem anderen Zusammenhang eine völlig neue Bedeutung bekommen. Singemäß hatte er zuletzt geschrieben: Feinde zu haben sei gut – weil es bedeutet, für etwas zu kämpfen.


Der junge Mann folgt auf Twitter Eminem und dem ersten US-Präsidenten mit afrikanischen Wurzeln. Sein Interesse an Obama ist Thema, das für Eminem auch:


Der ein oder andere wundert sich schließlich – wie passen die Fahndungsfoto zweier weißer Männer mit dem Profilfoto des dunkelhäutigen Twitterers zusammen? Sie gehen zu dieser Zeit unter.


Der ein oder andere malt sich aus, was das für den jungen Mann heißen könnte:



Er wird dort so etwas lesen – beispielsweise. (Die beleidigendsten Tweets zeigen wir hier nicht.)


Aber der junge Mann ist keiner der Boston-Attentäter. Er zeigte am Freitag keine öffentliche Reaktion zu dem Geschehen. Auf eine Kontaktanfrage unserer Zeitung hat er sich nicht gemeldet – was ihm nicht zu verdenken ist.


Autor:
Lars Wienand
(Mail, Google+)