Berlin

Austrittswelle bei der AfD: Wie weit nach rechts rückt die Partei?

Et voilà, die neue Rechte: Bernd Lucke präsentiert die neu gewählte AfD-Vorsitzende Frauke Petry.
Et voilà, die neue Rechte: Bernd Lucke präsentiert die neu gewählte AfD-Vorsitzende Frauke Petry. Foto: dpa

Steht Deutschland nach der Wandlung der Bernd-Lucke-AfD in eine Frauke-Petry-AfD vor der Verfestigung einer dauerhaft wahrnehmbaren „neuen Rechten“? Wird die 40-jährige Sächsin ohne Pegida-Berührungsängste den wirtschaftsliberalen Anti-Euro-Flügel halten können?

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Von unserem Berliner Korrespondenten Gregor Mayntz

„Weder rechts noch links“ will die Alternative für Deutschland sein, hatte Lucke wiederholt bekräftigt. Beobachter des französischen Parteiensystems kennen diese Selbstbeschreibung. „Weder rechts noch links“ will auch der Front National sein. Dessen Siegeszug führte bei den Europawahlen zum Platz Nummer eins unter den französischen Parteien und lässt die anderen Parteien bereits vor dem Antritt der FN-Vorsitzenden Marine Le Pen (46) bei Präsidentschaftswahlen zittern.

Die nationale Front in Frankreich versucht sich gerade von rechtsextremistischen Ausfällen zu befreien. Ähnliches hatte Lucke mit der AfD vor: Mehr Partei neuen Typs sein und dabei die klaren Abgrenzungen gegenüber diffusen Stimmungsmachern am rechten Rand betonen. Von Anfang an hatte die AfD damit zu kämpfen, dass ihr Siegeszug durch die Sonntagsfragen und dann auch in die Parlamente eine Sogwirkung auf die rechte Szene entwickelte und sich Aktivisten sogar mit Hinweisen brüsteten, die als Unterwanderung der AfD von rechts gewertet werden konnten.

Ergaben sich bei den Parteimitgliedern selbst daraus zähe Auseinandersetzungen mit Ausschlüssen und Austritten, blieb es bei den Parteianhängern so diffus wie eh und je: Die mehr oder weniger anerkannten Ökonomen galten als willkommenes Feigenblatt, hinter dem sich umso befreiter über Ausländer herziehen lässt – natürlich zunächst immer hinter der Maske politischer Korrektheit, dass Bürgerkriegsflüchtlinge „selbstverständlich willkommen“ seien.

Deutschland hat eine besondere Rolle: Hier herrschte nach den ersten Parteiverboten gegen die rechtsextremistische Sozialistische Reichspartei und die linksextremistische Kommunistische Partei ein Trend zu gemäßigten Wahlangeboten. Wie der Düsseldorfer Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler in einer Studie herausarbeitet, geht es in diesem Jahrtausend weniger um die überlieferten Reizworte der extremen Rechten, sondern vielmehr um akzeptierte Begriffe einer modernisierten Rechten.

So werde statt von „Rasse“ und „Nation“ lieber von „Tradition“ und „Heimat“ gesprochen. Und statt der früher üblichen Ablehnung der Demokratie gebe es nun eine taktische Befürwortung der direkten Demokratie.

Mit diesem Instrument spielte Petry auch, als sie als erstes Zeichen nach ihrer Wahl dazu aufrief, „auch in Deutschland ein Referendum über die Rettungspolitik der Bundesregierung“ zu starten, um auf diese Weise „den Griechen beim geordneten Austritt aus dem Euro behilflich zu sein“. Es sind Positionen wie diese, die die AfD für ihre Anhänger klar erkennbar machen. Allensbach-Meinungsforscherin Renate Köcher hatte der AfD bereits im vergangenen Herbst gute Chancen eingeräumt, sich dauerhaft mit den Themen Euro und Zuwanderung im Parteienspektrum festsetzen zu können.

Demoskopen gehen davon aus, dass die AfD theoretisch über ein Potenzial von mehr als 20 Prozent verfügt. Das ist der Anteil von Wahlberechtigten, die sich vorstellen können, AfD zu wählen – wie viele es tatsächlich tun, steht auf einem anderen Blatt. Vor allem mit Blick auf die Führungskrise und die nun noch anstehenden Auseinandersetzungen um Austritt oder Verbleib des Wirtschaftsflügels in der Partei sagt Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen kurzfristig das Gegenteil voraus. „Momentan gleicht die AfD eher einem Trümmerhaufen“, sagte Jung.